Von Miggi
Über Stellar Blade bzw. Project EVE wurde bereits im Vorfeld des Releases schon sehr viel geredet. Aber nicht nur wie bei anderen PlayStation 5-Exclusives weil die Leute da draußen so gehyped drauf waren. Zum größten Teil wurde nämlich nicht über das Spiel selbst gesprochen, sondern hauptsächlich über die Protagonistin und das Design ihres Körpers. Wie übersexualisiert das ganze ist, wie unrealistisch und so weiter. In dem Zuge hat sich auf Social Media dann eine ganz besonders dumme Gruppe Männer zusammengetan und eigentlich will ich denen hier gar keine Bühne geben. Aber man muss sagen: diesen Männern scheint es von Grund auf nicht gut zu gehen. Worauf ich aber viel eher hinaus möchte: es ist verdammt schade, dass das die Headlines waren, die Stellar Blade gemacht hat, denn hinter diesem dummen Diskurs steckt ein echt spannendes und gutes Spiel. Deshalb schieben wir die Diskussionen über Jiggle Physics und Körperbilder an dieser Stelle mal zur Seite und lassen das Spiel des Südkoreanischen Studios Shift Up einfach mal für sich sprechen.
In einer dystopischen Zukunft kämpft die Menschheit mit allerletzter Kraft ums Überleben, nachdem gefährliche Monster namens Naytiba die Erde überrannt haben. Um den Planeten zurückzuerobern schickt die Kolonie aus dem Weltraum den 7. Landetrupp los, der bei einem Überraschungsangriff allerdings fast komplett ausgelöscht wird. Das erlebt ihr im Tutorial direkt selbst, während ihr als Eve durch den Angriff stolpert und versucht mit eurer Kollegin Tachy mitzuhalten. Die beiden laufen dabei nach viel Explosionen einem besonders starken Alpha Naytiba in die Arme, der Eves Begleiterin tötet und sie selbst nur mit Glück davonkommen lässt, als sie vom Scavenger Adam gerettet wird. Dieser bringt sie schwer verwundet in die letzte Stadt der Menschheit Xion und dort startet dann für euch als Spieler*in auch die Mission die Welt von den Naytibas zu befreien. Diesmal hoffentlich mit mehr Erfolg als beim ersten Versuch.
Das Spiel selbst präsentiert sich dabei als Action Adventure in der Third Person, das viele nach den ersten Anspiel-Sessions und der Demo direkt mit Sekiro bzw. anderen Soulslikes verglichen haben. Und obwohl Parieren ein sehr elementarer Bestandteil des Nahkampfsystems ist, sehe ich den Vergleich nur in ganz kleinen Ansätzen, die Stellar Blade aber absolut nicht zum From Software-Klon machen, den viele da draußen so gerne in ihren reißerischen Headlines darstellen möchten. Das Gameplay bewegt sich viel eher komplett eigentständig irgendwo dazwischen mit einer Prise NieR: Automata, Devil May Cry, 3rd Person Shooter ohne Deckungsmechanik und hat dabei sogar noch ein paar Plattforming-Passagen, über die man allerdings nicht mega viel sagen muss. Außer, dass sie teilweise etwas hakelig sind und man hier öfter mal in Abgründe fällt, als es einem lieb sein wird. Aber sehen wir uns die einzelnen Elemente mal genauer an, beginnend mit dem Kampfsystem.
Mit ihrem Schwert tritt Eve im Nahkampf den Naytibas gegenüber und muss dabei mit gutem Timing parieren, ausweichen und zwischendurch Kombos aus leichten und schweren Attacken landen. Im Laufe des Spiels schaltet ihr außerdem Special Moves frei, die ihr entweder mit L1 oder R1 und einer der Aktionstasten ausführen könnt, insofern ihr genug Energie dafür gesammelt habt. Diese Energie sammelt ihr wiederum mit perfekt ausgeführten Parries oder Ausweichmoves. Mein bester Freund - und zwar bis zum allerletzten Boss - war dabei L1 und Viereck. Der Move hat mir mehr als nur einmal den Arsch gerettet. Die Kämpfe sind dabei allesamt fordernd, aber nie unfair, verlangen von Spieler*innen aber im normalen Modus weitaus weniger ab, als es ein Sekiro tut. Erst gegen Ende bin ich dann doch ins Schwitzen geraten und vor allem die letzten 3-4 Bosse hatten es wirklich in sich. Das Kämpfen ist dabei sehr präzise, die Kamera spielt gut mit und es kommen keine ungewollten Frustmomente durch seltsame Timings, Bugs oder Ruckler auf.
Als zweites "Werkzeug" steht euch in Stellar Blade eine Drohne zur Verfügung, die nicht nur eure Umgebung scannen kann und euch hilfreich zur Seite steht, sondern die euch mit diversen Munitionstypen Fernkampfangriffe ausführen lässt. Zu Beginn steht euch dabei nur Standard-Munition zur Verfügung, ihr könnt die Drohne aber im Spielverlauf upgraden und mit Schrot-Munition und sogar Mini-Raketen eure Gegner in die Mangel nehmen. Einzelne Spielabschnitte nehmen euch dabei sogar das Schwert weg und ihr seid nur auf eure Fernkampfwaffen angewiesen. Die Kombination dieser beiden Kampfstile hat mir im Spiel gut gefallen, leider war es nur etwas kompliziert die Munition on the Fly zu wechseln. Hierzu müsst ihr nämlich mit L2 zielen und dann mit Steuerkreuz oben und dem rechten Stick switchen, was im Eifer des Gefechts nicht immer ganz intuitiv ist.
Ein weiterer wichtiger Aspekt im Spiel ist das Erkunden der Spielwelt. Die verschiedenen Gebiete sind dabei mal mehr und mal weniger offen, bieten aber allesamt versteckte Cosmetics, Items und Material, das ihr benötigt, um Eve Skills zu verbessern. Waffenkerne sammelt ihr z.B. um eure Angriffskraft zu steigern, ihr könnt euren Tumbler verbessern, mit dem ihr euch heilen könnt und könnt nach einem Level Up jeweils einen Punkt in den verschiedenen Skill-Trees vergeben, die aufgeteilt sind in verschiedene Bereiche wie Überleben, Attacken oder Beta Kräfte. Solange ihr alle Nebenmissionen erledigt und Kämpfen nicht absichtlich ausweicht, solltet ihr aber mehr als genug Skill-Punkte haben, um schon vor dem New Game+ so gut wie alle Aktionen und Perks in den verschiedenen Skill Trees freizuschalten. Ich glaube nach meinen 28 Stunden Spielzeit, in denen ich bis auf 3 Fetchquests wirklich alles erledigt habe, haben mir nur noch ein paar der Burst Aktionen gefehlt, die ich sowieso eher selten eingesetzt habe.
Nebenmissionen erhaltet ihr dabei entweder von NPCs in der Spielwelt, oder an einem elektronischen schwarzen Brett. Dabei sind einige Side Quests, die bis auf ein bisschen mehr Geld, das ihr dann in Shops ausgeben könnt, nicht wirklich viel bringen, aber auch andere, die eine ganz eigene Storyline mit sich bringen, die wesentlich zum World Building und der Story beitragen. Mein Highlight war dabei die Geschichte der Sängerin Enya (no Joke), die euch durch mehrere Gebiete führt und in mehreren Stücken durch fast das ganze Spiel begleitet, aber das war bei weitem nicht die einzige Nebenquest, die bei mir bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Generell finde ich, dass Shift Up es hier geschafft hat eine wirklich lebendige bzw. nachvollziehbare Spielwelt zu erschaffen, in der Charaktere mit ihren Problemen kämpfen, Konflikte zu bewältigen haben und emotionale Backgroundstories mit sich bringen.
Die einzelnen Abschnitte sind dabei recht klar aufgeteilt in lineare Levels, in denen ihr recht strikt einem vorgegebenen Pfad folgen müsst, der aber auch stets mit ein paar alternativen Routen ausgeschmückt wurde. Die offeneren Gebiete könnt ihr dafür komplett frei bereisen und im Grunde gibt es dort fast keine Grenzen, die euch Bereiche verschließen, bis auf ein paar storyrelevante Türen oder Pfade, die sich erst mit dem bestimmten Trigger öffnen. Mit entdeckten Telefonen könnt ihr über eine Map schnellreisen, habt dort auch Marker für eure Quests und es macht wirklich Spaß die Gebiete genau abzusuchen, da man immer wieder auf klug platzierte Kisten und Geheimnisse stößt. Und das beste daran: ihr müsst nicht erst in alter Ubisoft-Manier 50 Türme pro Map aktivieren, damit ihr alles seht, sondern könnt ganz frei das jeweilige Gebiet erkunden. Außerdem wartet im späteren Spielverlauf ein Fishing Minigame auf euch, mit dem man sich quasi unendlich lange die Zeit vertreiben kann. Und alleine dafür, dass dieses Minigame existiert hat sich Stellar Blade schon einen großen Pluspunkt verdient.
Optisch präsentiert sich Stellar Blade abseits der anfangs genannten Diskussionen nicht nur verdammt polished und auf hohem Niveau, sondern auch abwechslungsreich. Die einzelnen Gebiete haben allesamt Wiedererkennungswert und Charme, die Levels sind vom Aufbau her gut designed und vor allem das Gegner-Design hat es mir wahnsinnig angetan. Dieses steht im extremen Kontrast zur Protagonistin und die Naytiba sind teilweise einfach richtig eklig und angsteinflößend. Und das meine ich im bestmöglichen Sinne. Die Spielwelt fühlt sich wie bereits erwähnt absolut lebendig und organisch an und unterlegt wird das ganze von einem wunderschönen Soundtrack, der von atmosphärischer Hintergrundmusik, über mitreißenden Battle Themes bis hin zu emotionalen Piano-Stücken alles zu bieten hat, was das Herz oder in diesem Fall eher das Ohr begehrt.
"Stellar Blade ist für mich eines der Spiele, die ich gemeinsam mit z.B. einem Returnal, ohne lang darüber nachdenken zu müssen, nennen würde, wenn mich jemand fragt für welche Exclusives sich auf der PS5 so richtig lohnen."
Man merkt dem ersten großen Spiel von Shift Up definitiv seine Wurzeln an bzw. sieht deutlich, welche Spiele die Entwickler*innen vermutlich mögen. Die Prise Sekiro, der klare Einfluss von NieR: Automata, das bisschen Devil May Cry, die ein oder andere Referenz auf Final Fantasy, Kill Bill & andere Franchises. Und trotzdem wirkt das Spiel nicht wie das nächste Palworld, sondern orientiert sich viel eher an einem Spiel wie Lies of P, das vorhandene Ideen nimmt, sie ein bisschen umdenkt und etwas schafft, das ein verdammt unterhaltsames Endprodukt schafft, das für sich selbst stehen kann. Stellar Blade ist für mich eines der Spiele, die ich gemeinsam mit z.B. einem Returnal, ohne lang darüber nachdenken zu müssen, nennen würde, wenn mich jemand fragt für welche Exclusives sich auf der PS5 so richtig lohnen. Das Kampfsystem macht richtig Laune, die Steuerung ist bis auf ein paar Plattforming Passagen on Point und das Spiel sieht dabei unfassbar gut aus und man merkt, wie viel Arbeit und Eifer in dieses Projekt geflossen ist. Lediglich die Story selbst fand ich gegen Ende doch etwas zu klischeehaft, aber insgesamt wurde ich über die ganze Spieldauer trotzdem gut unterhalten und vor allem die gut erzählten Nebenquests machen das dann fast schon wieder vergessen. Eves Charakterdesign und die Jiggle Physics geraten außerdem nach wenigen Spielminuten eigentlich komplett in den Hintergrund und worüber wir eigentlich reden sollten ist dieses verdammt gute Spiel, das darauf wartet von euch gespielt zu werden.