S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chornobyl

   Von Miggi

Titelbild zu S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chornobyl von GSC Game World

Vielleicht habt ihr es an der ein oder anderen Stelle schon einmal mitbekommen, aber hier zur Sicherheit noch mal: ich liebe die S.T.A.L.K.E.R.-Spielereihe. Die dystopische Welt und das Setting, die gezeichneten Geschichten und Schicksale der Charaktere, das Monster- und Level Design und generell auch sonst alles daran haben mich schon immer komplett fasziniert und in ihren Bann gezogen. Was das ukrainische Studio GSC Game World mit der Trilogie von 2007 bis 2009 geschaffen hat, hat mich bis heute schwer beeindruckt bzw. geprägt. Umso mehr habe ich mir immer schon einen Konsolen-Port der Spiele gewünscht, da ich einfach nicht gerne am PC spiele. Das Steam Deck hat hier noch mal ein bisschen nachgeholfen und eines der ersten Spiele, die ich darauf installiert habe, war tatsächlich dann auch S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chornobyl. Komplett dran geblieben bin ich aber nicht, da das Interface und die Steuerung nicht zu 100% auf den Handheld ausgelegt waren. Als dann aber plötzlich in der Xbox Partner Preview-Präsentation die Original-Trilogie als Legends of the Zone Trilogy angekündigt wurde, habe ich direkt alle anderen Spiele beiseite gelegt und mich zurück in die Zone begeben.

Der erste Teil der Original-Trilogie schickt euch im Jahr 2012 als namenloser bzw. an Amnesie leidender S.T.A.L.K.E.R. in die Zone rund um das Atomkraftwerk Chornobyl nahe der ukrainischen Stadt Prypjat. Die Abkürzung steht dabei für Scavenger, Trespasser, Adventurer, Loner, Killer, Explorer & Robber und beschreibt eine Gruppe an Menschen, die in der verstrahlten Zone nach Artefakten und anderen Schätzen suchen. Die einzige Aufgabe, die ihr zu Beginn des Spiels bekommt ist es eine Person namens Strelok zu finden. Warum oder wie wird euch nicht verraten, aber keine Sorge: im Laufe des Spiels klären sich hier (fast) alle offenen Fragen, die ihr zu Beginn noch haben werdet. Eine erste Einführung in die Welt und die aktuellsten Geschehnisse gibt euch dabei der Händler Sidorovich im Rookie Village. Er scheint von Strelok gehört zu haben und gibt euch für eure Schnitzeljagd das erste kleine Schnipselchen an die Hand. Ihr zieht also los, nehmt diverse Aufgaben an, um tiefer in die Zone vorzudringen und euer Gedächtnis wiederzuerlangen. Oder um es genauer zu sagen: Tvoyo zhelaniye skoro ispolnitsya. Idi ko mne.

Das erste Camp in Rookie Village in S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chornobyl von GSC Game World
I grew up on these streets.

Wer hauptsächlich moderne Shooter spielt, oder damit aufgewachsen ist, den wird S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chornobyl vermutlich im ersten Moment einmal kalt erwischen. Das Spiel ist sehr viel behäbiger und langsamer als aktuelle Genre-Vertreter und gleichzeitig unfassbar gnadenlos. Ihr werdet also sehr häufig Gebrauch von euren Saves machen müssen bzw. sehr häufig Zwischenspeichern. Solltet ihr das mal vergessen, kann das in sehr ärgerlichen Situationen enden, in denen ihr manche Passagen komplett wiederholen müsst, da das Spiel selbst keine Checkpoints in den Abschnitten erstellt. Außerdem ist eure Ausrüstung am Anfang erwartungsgemäß schlecht und ein Aufeinandertreffen mit einer Schrotflinte kann sehr schnell im Insta-Kill enden. Schon das erste Banditen-Lager ist dabei eine Herausforderung, die einem alles abverlangt und das obwohl man es mit mehreren NPCs gemeinsam stürmt. Lasst euch davon also auf keinen Fall verunsichern oder abschrecken. Das Spiel nimmt euch hier wenig an der Hand, wird aber mit laufender Spieldauer einfacher bzw. ihr einfach besser ausgerüstet und erfahrener.

 

Die Spielmechaniken und das Gameplay sind dabei auch 2024 noch on Point und definitiv mehr auf der Realismus-Seite. Ihr werdet also nicht wie in moderneren Shootern automatisch geheilt, wenn ihr verletzt werdet, sondern müsst stets eure Verbände und Medikits bei euch haben und zur richtigen Zeit einsetzen. Auf der Konsole bekommt ihr dafür Shortcuts, um nicht jedes Mal in euer Inventar wechseln zu müssen. Ihr könnt auch nicht super hoch springen oder sonst irgendwelche krassen Moves ausführen. Gleichzeitig nutzen sich sowohl Waffen als auch eure Rüstung ab und müssen mit der Zeit erneuert werden, da sie sonst an Effektivität verlieren. Im ersten Teil der Trilogie musste man hier noch einen Tausch durchführen, reparieren kann man seine Ausrüstung leider erst ab Clear Sky. Da ihr aber bis zum Spielende stetig neue und bessere Ausrüstung looten könnt, ist das nicht so schlimm und man kommt nur selten an den Punkt, dass man eigentlich gute Ausrüstung weggeben muss, weil sie kaputt ist.

Ein Banditenlager in S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chornobyl von GSC Game World
Believe it or not: dieses unscheinbare Banditenlager ist eine der größten Hürden im Spiel.

Um eure Ausgangslage in der Zone zu verbessern, müsst ihr aber definitiv schon früh damit starten eure Ausrüstung zu optimieren. Denn mit der Pistole und eurer Lederjacke, mit der ihr ins Spiel startet, werdet ihr nicht unbedingt weit kommen. Das könnt ihr entweder machen indem ihr getötete Gegner lootet und deren Ausrüstung übernehmt, oder indem ihr genug Geld ansammelt und beim Händler eures Vertrauens neue Waffen & Rüstung kauft. Daneben habt ihr außerdem die Möglichkeit verschiedene Artefakte einzusammeln, die sich aus sogenannten Anomalien entwickeln, die durch die Kernschmelze entstanden sind und in der ganzen Zone zu finden sind. Diese könnt ihr dafür vorgesehenen Slots zuweisen, wobei jedes Artefakt Boni, aber auch negative Seiten mit sich bringt. Schenkt euch ein Gegenstand etwa mehr HP, geht gleichzeitig atomare Strahlung von ihm aus, die ihr entweder mit eurer Ausrüstung oder weiteren Artefakten aushebeln müsst, da ihr sonst dauerhaft nicht heilbaren Schaden nehmt, der nur durch speziell dafür vorgesehen Medizin wieder geheilt werden kann.

 

Generell ist Item-Management neben dem eigentlichen Gameplay ein wesentlicher Aspekt des Spiels. In eurem Rucksack lagert ihr eure Waffen, von der ihr jeweils eine Pistole und ein Gewehr aktiv ausrüsten könnt, sowie alle weiteren Gegenstände, die ihr einsammelt. Da ihr im Spiel selbst aber wie bereits erwähnt keinen superkräftigen Übermenschen spielt, ist eure Grenze relativ schnell erreicht, das heißt ihr müsst aufpassen, was ihr mitnehmt und was ihr vielleicht lieber liegen lasst, um nicht dauerhaft Ausdauer beim Laufen zu verlieren, weil ihr zu schwer seid. Neben Waffen, Artefakten und Rüstung, müsst ihr auch eure Medikits und Verbände, Munition für die diversen Waffenarten und sogar eure Lebensmittel im Auge behalten. Sollte euer S.T.A.L.K.E.R. nämlich einmal zu lange nichts gegessen haben, steigt die Hunger-Leiste, weshalb ihr auch immer genug Brot, Wurst und Konserven mithaben solltet.

Ein Bloodsucker in S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chornobyl von GSC Game World
Auch Chtulu hat einen kleinen Gastauftritt im Spiel.

Neben der Haupstory lohnt es sich im Spiel aber auf jeden Fall mit den diversen NPCs in Städten bzw. eher Lagern zu sprechen. Schon in Rookie Village könnt ihr so Nebenquests erhalten, die euch wertvolle Gegenstände und Geld einbringen können und auch im weiteren Spielverlauf findet ihr immer wieder Nebenquests, teilweise zeitlich limitiert, die euch mit Equipment oder Geld belohnen, das ihr dann wieder investieren könnt. Außerdem lohnt es sich getötete Feinde zumindest kurz zu untersuchen, da diese theoretisch immer den Standort eines Geheimverstecks in ihrem PDA gespeichert haben könnten. Dieser wird beim Untersuchen automatisch auf eurer Karte markiert und kann dann von euch abgeholt werden. Solltet ihr zufällig in der Spielwelt einen dieser Caches finden, ohne die dazugehörige Location vorher freigeschaltet zu haben, bleiben diese allerdings leer, was ich damals schon etwas nervig fand und daran hat sich bis heute nichts geändert. Ist auch irgendwie einfach nicht realistisch, aber hey, kann man jetzt auch nicht mehr ändern. Ein bisschen veraltet ist mittlerweile auch die Spielwelt selbst, die in mehrere kleine Gebiete unterteilt ist, die jeweils durch einen Ladescreen voneinander getrennt sind. Würde heute aufgrund technischer Möglichkeiten vermutlich auch anders laufen.

 

Und auch an anderen Stellen merkt man S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chornobyl technisch definitiv sein Alter an, etwa bei der Navigation durch Questziele und die World Map. Beides steuert ihr über einen PDA an, der heutzutage nicht nur in der realen Welt etwas retro wirken würde, sondern auch im Spiel selbst immer wieder kleine Problemchen hat. Teilweise ist es leider einfach sehr hakelig, sich durch die verschiedenen Menüs zu navigieren, alle Symbole und Questmarker ordentlich zu finden bzw. zu erkennen und ich glaube das hier eine Kombination aus "nicht für den Controller gedacht" und einem dem Alter geschuldeten Mangel an Quality of Life-Funktionen aufeinandertreffen, die diese Funktionen unnötig komplizierter macht. Das fällt vor allem dann auf, wenn man sich etwa den direkten Nachfolger S.T.A.L.K.E.R.: Clear Sky auf den gleichen Konsolen als Teil der selben Trilogie ansieht und feststellt, dass es hier schon wesentlich smoother und aufgeräumter zugeht im PDA. All das macht einem das Spielerlebnis nicht wirklich kaputt oder beeinflusst es so negativ, dass ich mich krass dran störe, erwähnen sollte man es aber auf jeden Fall.

Sidorovich sitzt in seiner Kammer in S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chornobyl von GSC Game World
Einer der wenigen Charaktere im Spiel, die eigentlich echt ein entspanntes Leben haben.

Woran der Zahn der Zeit aber absolut nicht genagt hat, ist die Atmosphäre des Spiels. Klar ist es optisch nicht ganz auf 2024-Level, aber so richtig schlecht gealtert ist es dann halt auch nicht. Gleichzeitig sind die unterschiedlichen Gebiete immer noch imposant und man merkt, wie viel Zeit und Arbeit ins Erstellen der Spielwelt geflossen ist. Die Devs sind damals in die Real Life-Zone gefahren, um möglichst viele Bilder und Referenzmaterial zu erstellen und bis heute merkt man einfach, wie sehr sich das gelohnt hat. Wenn man durch die Müllhalde, diverse Labore, Pripyat oder das zerstörte Atomkraftwerk selbst läuft kann man sich zu jedem Zeitpunkt vorstellen, dass es dort vermutlich jetzt genau so aussieht und alles fühlt sich gruselig real an, sofern das in diesem Kontext möglich ist. Zusätzlich ist die Synchronisation des Spiels verdammt gut gelungen und das beklemmende Gefühl, das man in dieser Spielwelt hat, habe ich so noch in keinem anderen Videospiel gehabt. Bis heute ist das einfach absolutes Top-Level.

"S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chornobyl ist als erster Teil der Reihe nicht nur ein Meilenstein in meiner persönlichen Videospiel-Historie, sondern natürlich auch für das ukrainische Studio GSC Gameworld, das hiermit eine Serie geschaffen hat, die bis heute beachtlich ist."

Wenn man mich 2007 nach meiner Meinung zu diesem Spiel gefragt hätte, hätte ich vermutlich geantwortet, dass es das beste Spiel ist, das je existiert hat. Heutzutage würde ich diese Aussage vermutlich nicht mehr zu 100% unterscheiden, in meinen All-Time Top 5 ist die originale S.T.A.L.K.E.R.-Trilogie aber auf jeden Fall bis heute zu finden. Dass man die Spiele nun endlich auch auf der Konsole spielen kann, ist eine für mich lange gehegte und endlich in Erfüllung gegange Hoffnung und die Ports sind absolut stabil. S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chornobyl ist als erster Teil der Reihe nicht nur ein Meilenstein in meiner persönlichen Videospiel-Historie, sondern natürlich auch für das ukrainische Studio GSC Gameworld, das hiermit eine Serie geschaffen hat, die bis heute beachtlich ist. Und an dem Status rütteln auch 2024 die Konsolen-Ports nicht, die technisch stabil umgesetzt wurden und auch neben modernen Spielen noch in dem was sie sein wollen mehr als gut mithalten können.

Wertung zu S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chornobyl von GSC Game World
4,5 von 5 Bloodsucker.