Von Miggi
7 Jahre ist es jetzt her, dass Meisterdetektiv Pikachu in Japan erst exklusiv im 3DS eShop erschien. Seitdem ist viel passiert: nicht nur ist das Spiel 2018 dann auch bei uns als vollständiges Release erschienen und wurde 2019 als Realfilmumsetzung veröffentlicht - der Film war auch noch richtig gut. Im Zuge dessen wurde schon 2019 eine Fortsetzung des Videospiels angekündigt, damals noch für den 3DS. Dass der Handheld mittlerweile nicht mehr der heißeste Scheiß ist, wisst ihr vermutlich alle, letztes Jahr wurde sogar der eShop geschlossen und ab April 2024 werden auch die Online-Dienste dafür deaktiviert. Dass Meisterdetektiv Pikachu kehrt zurück also eher für die Nintendo Switch erscheinen wird, war relativ klar. Dass es aber wirklich bis 2023 dauern würde, damit hat wohl niemand so richtig gerechnet. In der Nintendo Direct im Juni war es dann aber soweit, das Sequel wurde offiziell vorgestellt und im Oktober war es endlich soweit. Also ab nach Ryme City, Kaffe trinken und wieder ein paar Verbrechen aufklären!
Nachdem unsere beiden Helden Pikachu und Tim Goodman im ersten Teil (und auch im Film, der im Spiel sogar kurz erwähnt wird) das Mysterium rund um die Substanz R gelöst haben, die Pokémon in Rage versetzt hat, startet der Nachfolger mit einer Zeremonie, in der die beiden vom Bürgermeister von Ryme City für ihre Leistungen geehrt werden sollen. Diese wird aber durch ein wildgewordenes Krarmor unterbrochen, Pikachus Hut wird gestohlen und so machen sich die beiden auf diesen zurückzuholen und herauszufinden, warum Krarmor so wütend war. In Ryme City leben Pokémon und Menschen nämlich eigentlich friedlich zusammen. Ihr bekommt so euren ersten Fall und damit das Tutorial und holt erst mal Pikachus Hut zurück. Etwas später bekommt ihr euren ersten richtigen Fall - in einer Villa etwas außerhalb der Stadt wurde ein wertvoller Edelstein gestohlen und ihr sollt diesen mit Hilfe von Pikachu zurückholen. Dieser kann nämlich mit Pokémon direkt kommunizieren und euch so wertvolle Hinweise beschaffen. Im Laufe des Falles entpuppt sich aber ein sehr viel größeres Problem und damit die Hauptstory von Meisterdetektiv Pikachu kehrt zurück, die ich an dieser Stelle aber nicht spoilern möchte.
Und im Grunde unterscheidet sich das Gameplay nicht groß von dem des Vorgängers - wenn ihr den 3DS-Teil also gespielt habt, wisst ihr genau was euch erwartet. Um die einzelnen Fälle zu lösen, müsst ihr erst einmal Hinweise sammeln. Diese bekommt ihr einerseits indem ihr mit Menschen und Pokémon in der Umgebung sprecht und Fragen stellt. Hier kann man eigentlich nichts falsch machen, solange man alle Dialog-Optionen durchklickt. Weitere Hinweise findet ihr, indem ihr eure Umwelt genau untersucht. Das kann von Kratzern oder Fußspuren am Boden bis hin zu einem versteckten Pokémon oder Malereien hinter einer Eiswand, die ihr erst einmal wegschmelzen müsst, alles mögliche sein. Manche Gegenstände können auch genauer untersucht werden. Hier zoomt die Kamera dann kurz ran und ihr könnt in einer detaillierteren Untersuchung alles genau unter die Lupe nehmen. Also literally.
Habt ihr erst einmal alle Hinweise gesammelt, könnt ihr mithilfe eures Notizbuches Schlussfolgern. Hier baut sich in jedem Fall, den ihr spielt, eine kleine Schlussfolgerungskette auf, die am Ende dazu führen sollte, dass ihr den Fall löst. Für jede These, die Tim und Pikachu aufstellen gibt es hier mehrere Schlussfolgerungsmöglichkeiten, von denen ihr die richtige auswählen müsst. In einem Fall gilt es z.B. verschiedene Beeren zu suchen und diese 3 Statuen zuzuordnen. Jede Statue hat dabei eine eigene Schlussfolgerung und ihr müsst erst einmal alle Hinweise zusammensuchen, um dann in eurem Notizbuch die richtige Beere auszuwählen. Falsch machen könnt ihr hier allerdings nicht wirklich etwas. Wählt ihr die falsche Lösung aus, weist euch Pikachu kurz auf euren Fehler hin, ermutigt euch noch einmal nachzudenken und ihr könnt einfach noch mal auswählen. Pika-Brain-Move.
Neben der Hauptstory könnt ihr auch immer wieder kleinere Nebenquests in den einzelnen Gebieten finden. Manche sind jeweils auf verschiedene Pokémon oder NPCs und das Gebiet abgestimmt: hier müsst ihr dann z.B. einem Pii helfen, seine Freunde zu finden oder einer Trainerin bei der Suche nach ihrem verschwundenen Pokémon zur Seite stehen. Ab und zu bringen euch diese Nebenquests dann auch an Orte, die ihr für das Weiterführen der Hauptgeschichte benötigt. Eine andere Questline, die sich über mehrere Gebiete zieht lässt euch auf eine Reporterin treffen, die euch verschiedene Rätsel stellt, deren Lösung ein bestimmtes Pokémon im jeweiligen Gebiet ist. So fragt sie euch z.B. nach dem fluffigsten Pokémon, dass es gibt und ihr müsst dann dieses im jeweiligen Abschnitt finden, ansprechen und zu ihr zurückkehren. Die Nebenquests sind hier nie sonderlich schwer, aber hey, das ist die Hauptgeschichte auch nicht unbedingt.
Hier kommt nämlich die - zumindest für erwachsene Spieler*innen - negative Seite von Meisterdetektiv Pikachu kehrt zurück zu tragen. Denn nicht nur der Protagonist kehrt zurück, auch der Schwierigkeitsgrad unterscheidet sich nicht wirklich von dem des Vorgängers. Zwar hat man versucht im Nachfolger einige neue Features und Ideen einzubauen: Pikachu kann teilweise mit Pokémon interagieren und ihr übernehmt dann in diesen Abschnitten die Kontrolle über euren Begleiter und auch die Nebenquests und detaillierteren Untersuchungen sind eine gern gesehene Neuerung. Allerdings ist das Spiel weit entfernt davon erfahrene Spieler*innen zu fordern. Im Grunde lauft ihr immer von A nach B, redet mit allen Leuten und habt schon bevor ihr alle Hinweise in der Schlussfolgerung gesammelt habt herausgefunden, wie der Fall endet.
Und auch optisch kann Meisterdetektiv Pikachu kehrt zurück nicht unbedingt mit anderen Spielen mithalten, die schon gezeigt haben, dass aus der Switch wesentlich mehr herauszuholen ist, als viele es der Hybrid-Konsole teilweise zutrauen. Ihr seht es eventuell an den Screenshots schon: die Kanten der Figuren sind teilweise echt unschön und vor allem durch die unsauberen bzw. teilweise fehlenden Licht- und Schatten-Effekte wirkt das Spiel einfach nicht so richtig up-to-date mit dem, was wir sonst schon auf Nintendos aktueller Hardware gesehen haben. Das fällt im Handheld-Modus weitaus nicht so schwer ins Gewicht, wie am Fernseher, dort springt einem das aber leider so richtig ins Gesicht. Ich frage mich, ob man hier einfach das angefangene 3DS-Spiel genommen und sich gedacht hat "Ach komm, wir müssen da nicht mehr so viel machen, porten wir das doch einfach rüber!". Aber hey, zumindest läuft das Spiel aber flüssig und macht auf der technischen Ebene keine Probleme.
"Meisterdetektiv Pikachu kehrt zurück schlägt in die gleiche Kerbe wie sein Vorgänger, erzählt eine gute Geschichte, ist aber nichts woran man sich beim Lösen der verschiedenen Fälle stundenlang den Kopf zerbrechen kann."
Ich mag Meisterdetektiv Pikachu, so rein als Figur. Das kaffeetrinkende Pokémon mit der tiefen Stimme und dem Detektiv-Hut hat einfach einen ganz gewissen Charme und ich finde es schön, dass es inmitten der verschiedenen Pokémon-Spiele und Spin-offs diese Serie gibt, die insgesamt einfach durch diesen Protagonisten heraussticht. Leider sind die Spiele aber einfach nicht für ein erwachsenes Zielpublikum ausgelegt. Das ist vollkommen verständlich und ich glaube jüngere Spieler*innen können echt viel Spaß mit dem Titel haben. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass meine grauen Zellen ein bisschen mehr gefordert werden. Hier könnte man ganz einfach für das junge Publikum einen Easy Mode mit Hilfestellungen anbieten und erfahreneren Fans ein bisschen mehr zum Grübeln geben. Meisterdetektiv Pikachu kehrt zurück schlägt in die gleiche Kerbe wie sein Vorgänger, erzählt eine gute Geschichte, ist aber nichts woran man sich beim Lösen der verschiedenen Fälle stundenlang den Kopf zerbrechen kann. Mit den circa 10 Stunden Spielzeit ist es wie der erste Teil auch ein netter Snack und nicht zu lange, hätte aber für meinen Geschmack noch etwas mehr gepolished werden können, damit zumindest die visuelle Komponente einen mehr bei der Stange hält. Wer richtig Bock auf Rätsel hat greift lieber zu anderen Spielen, wer aber Lust auf eine nette Geschichte im Pokémon-Universum und/oder Kinder hat, kann auf jeden Fall mal einen Trip nach Ryme City machen.
