Dead Island 2

   Von Miggi

Titelbild zu Dead Island 2 von Deep Silver und Dambuster Studios

Dead Island 2 war mit Abstand die größte Überraschung der letzten gamescom. Als Finale der Opening Night Live zeigte Geoff Keighley auf seiner großen Bühne in Köln das erste Lebenszeichen des Zombie Action-RPG seit langer Zeit. Dass an dieser Stelle nämlich wirklich einmal eine Review zum Spiel stehen würde, war zu manchen Zeitpunkten der letzten Jahre gar nicht so sicher. Und viele von euch haben sicher schon den Überblick verloren, wie lange wir nun gewartet haben und wann das Spiel eigentlich wo in Entwicklung war. Nach dem Erfolg des ersten Teils war schon 2011 relativ schnell klar, dass es einen Nachfolger dazu geben soll. Techland wollte sich allerdings lieber auf Dying Light konzentrieren, weshalb Publisher Deep Silver die Entwicklung an das deutsche Studio Yager Development übergab. Diese Zusammenarbeit wurde aber 2015 beendet und das Spiel ging 2016 offiziell weiter an Sumo Digital, bevor es im August 2019 final bei Dambuster Studios landete. Kurz gesagt: über 10 Jahre nach dem ersten Teil erscheint jetzt mit Dead Island 2 ein totgeglaubtes und quasi wiederauferstandenes Spiel. Besser könnte es eigentlich nicht zum Thema passen.

Trotz des Titels sind wir diesmal aber nicht auf einer abgeschotteten Insel unterwegs, sondern bewegen uns durch Los Angeles bzw. HELL-A. Ich liebe ja solche Wortspiele. Ungefähr 10 Jahre nach den Ereignissen des ersten Teils muss die US-Regierung mithilfe des Militärs den Bundesstaat Kalifornien abriegeln, nachdem dort erneut ein Virus ausgebrochen ist, der Menschen zu Zombies werden lässt. Bevor das Spiel startet, könnt ihr euch für eine von 6 zur Auswahl stehenden Protagonist*innen entscheiden, die es jeweils geschafft haben auf eines der Evakuierungs-Flugzeuge zu gelangen, die Menschen aus der Zombie-Apokalypse retten sollen. Es kommt aber natürlich anders als geplant. Mit euch an Bord befinden sich bereits Infizierte, Chaos bricht aus und so legt ihr relativ schnell eine Bruchlandung hin und sitzt direkt wieder dort fest, von wo ihr eigentlich abhauen wolltet. Von dort an beginnt eure gefährliche Reise durch die überrannte Stadt, auf der ihr neben einem Haufen Zombies auch andere Überlebende treffen und euch (hoffentlich) in Sicherheit kämpfen werdet. Das könnt ihr übrigens entweder alleine oder auch mit bis zu 3 Freund*innen gemeinsam im Online Coop-Modus machen.

Dani greift einen Zombie am Hals in Dead Island 2 von Deep Silver und Dambuster Studios
Was hast du gegen meine Mutter gesagt?!

Sowohl in Zwischensequenzen, als auch dem restlichen Gameplay, erlebt ihr Dead Island 2 komplett aus der Ego-Perspektive. Das macht die Handlung zum einen wesentlich immersiver, trägt aber auch stark zur Action bei. Es fühlt sich einfach "realer" an, einen Zombie aus nächster Nähe den Kopf abzuschlagen, als in der 3rd Person. Begleitet wird das ganze immer wieder durch Kommentare eurer Spielfigur und so nervig ich das in manchen Spielen teilweise finde: sowohl die eigentlichen Dialoge als auch die Kommentare nebenbei sind hier so witzig und charmant geschrieben, dass ich immer wieder vor mich hinkichern musste. So gerät selbst in Vergessenheit, dass die Story nicht unbedingt die innovativste ist. Aber im Jahr 2023 kann man glaube ich im Zombie-Genre auch nur schwer etwas noch nie Dagewesenes schaffen. Dafür dreht das Spiel den Style- und Charme-Level auf Maximal-Stufe und sogar die Text-Einblendungen der Missionen haben mich teilweise zum Lachen gebracht. Man merkt einfach, dass hier wirklich viel Aufwand ins Writing gesteckt wurde.

 

Zur Wehr setzt ihr euch im Action-RPG des Deep Silver-internen Studios mit diversen Nah- und Fernkampfwaffen, die ihr im Laufe eures Abenteuers findet. Diese haben unterschiedliche Stärken und Profile: Bulldozer-Waffen eignen sich besser dazu große Zombie-Horden auf einmal zu bekämpfen, während andere Waffen besser dazu geeignet sind einzelnen Zombies Gliedmaßen abzutrennen. Insgesamt könnt ihr 16 Waffen in eurem Inventar tragen und diese an Werkbänken auch verbessern. So gebt ihr eurem Messer ein paar Extra-Klingen, eurem Schwert einen Elektroschocker oder eurem Vorschlaghammer direkt einen Flammenwerfer, der Zombies beim Schlag in Brand setzen kann. Diese Statuseffekte, die ihr im späteren Spielverlauf auf euer Gegenüber anpassen solltet,  können allerdings nicht nur von euren Waffen kommen. Überall verteilt in der Spielwelt findet ihr Fässer und Kanister mit endzündlichem Öl, Wasserbehälter und Sprinkleranlagen, die den Boden oder Zombies nass und anfällig für Elektrizität machen und vieles mehr, das ihr zu euren Gunsten nutzen solltet.

Zombies liegen in Blut in Dead Island 2 von Deep Silver und Dambuster Studios
Da wird die Putzkraft sich aber so richtig freuen.

Neben diversen Waffen und Crafting-Material findet ihr in der Spielwelt aber auch allerhand Verstecke, Nebenmissionen und Skill-Karten. Diese könnt ihr ausrüsten, um euch entweder aktive oder passive Fähigkeiten zu geben. Dazu zählen etwa der bereits erwähnte Block, aber auch Perks, die eure Sprung-Attacke verstärken und sogar eine an die Handlung geknüpfte Superform, in der ihr kurzzeitig viel stärker seid und ohne Rücksicht auf Verluste draufhauen könnt. Je höher ihr im Level aufsteigt, desto mehr könnt ihr davon gleichzeitig ausrüsten. Außerdem gibt es allerhand Wurfgeschosse zu finden: zu Beginn des Spiels erhaltet ihr einen relativ harmlosen Köder, der Zombies an einen Ort locken kann, später wächst euer Arsenal aber auch um Molotov-Cocktails und Granaten an. Es lohnt sich also definitiv auch abseits der Hauptstory alle Ecken und Winkel abzusuchen und die diversen Side Quests zu erledigen.

 

Das Gameplay selbst ist dabei aber wesentlich weniger Parcours-lastig, als man es vielleicht von aktuelleren First Person Zombie-Spielen wie Dying Light 2 gewohnt ist. Beim Kämpfen könnt ihr entweder eine normale oder eine aufgeladene Attacke ausführen und je nachdem welchen Skill ihr auswählt habt ihr entweder ein Ausweich-Manöver oder die Fähigkeit zu Blocken. Beim richtigen Timing werden die Zombies dabei kurz gestunned, was euch wertvolle Sekunden für eure Angriffe schenkt und in manchen Situationen überlebensentscheidend sein kann. Ein wichtiger Faktor in den Kämpfen sind außerdem die Gliedmaßen eurer Feinde. Ihr könnt den Zombies ihr Arme und Beine abschlagen, was euch natürlich nur Vorteile bringt. An dieser Stelle muss man auch einfach das Schadensmodell der Untoten erwähnen. Egal mit welcher Waffe ihr angreift oder welcher Statuseffekt gerade einem Zombie schadet - der Schaden ist direkt an den Charaktermodellen sichtbar und so detailliert habe ich das bisher in keinem anderen Spiel gesehen. Das ging so weit, dass ich irgendwann vor einem Zombie stand und im Kampf einmal alle Waffen durchgewechselt habe, einfach um die Effekte zu vergleichen und den Impact der einzelnen Waffen pro Schlag zu sehen.

Ein muskelbepackter Zombie in Dead Island 2 von Deep Silver und Dambuster Studios
Ich glaub da hat es jemand mit den Steroiden übertrieben.

Aber nicht nur die Zombies und deren klaffende Wunden sehen unfassbar gut aus. Das ganze Spiel mit seinen verschiedenen Schauplätzen, von Bel-Air über Beverly Hills bis hin zum Pier von Venice Beach, ist einfach richtig schön. Und ja, es fühlt sich sehr seltsam an, dieses Wort zu verwenden, während man die ganze Zeit an Zombies, Blut und zerstörte Städte denkt. Aber egal ob ihr euch tagsüber oder nachts durch die Welt bewegt - die Spielwelt sieht wahnsinnig realistisch aus und seien es nun die Waffen, Gebäude, Autos oder random rumliegende Gegenstände - alles ist so detailliert und gepolished, dass man sich zu keinem Zeitpunkt die Frage stellt, ob es richtig war, die ursprüngliche Version des Spiels zu canceln und nochmal von Null zu starten. Und trotz aller Details und der vollen Umgebung läuft Dead Island 2 unglaublich flüssig und ich hatte während meines ganzen Playthroughs genau einen kleinen Bug entdeckt. Und der war nur kurz in einer Zwischensequenz. Spiele sollten viel öfter so "fertig" released werden.

"Dead Island 2 macht alles richtig, was ein Zombie-Spiel richtig machen kann, ist dabei wahnsinnig charmant und Dani eine der besten Protagonistinnen, die dieses Genre jemals hatte."

Ich weiß gar nicht, was ich von diesem Spiel letztendlich erwartet habe. Über die Jahre ist es bei mir nach der ersten Ankündigung fast schon so ein bisschen in Vergessenheit geraten, ehe der gamescom-Trailer und die Demo, die ich dort letzten August spielen konnte plötzlich riesige Vorfreude ausgelöst haben. Das fertige Spiel hat nun nicht nur diese vorfreudigen Erwartungen erfüllt, sondern weit übertroffen. Der Gameplay-Loop zwischen Looten und Leveln, Erkunden und Zombies schnetzeln hatte mich trotz der wenig bahnbrechenden Story von Anfang bis Ende gefesselt. Dead Island 2 macht alles richtig, was ein Zombie-Spiel richtig machen kann, ist dabei wahnsinnig charmant und Dani eine der besten Protagonistinnen, die dieses Genre jemals hatte. Fecking großartig. Das dieses Spiel überhaupt existiert ist schon ein kleines Wunder, dass es dann aber auch noch so gut geworden ist, grenzt schon fast ans Unmögliche. Außerdem wurde glaube ich dem Zombie-Vater George A. Romero noch nie so charmant Tribut gezollt, wie in diesem Spiel hier. Ich bin aus meiner HELL-A Reise auf jeden Fall mehr als zufrieden nach Hause zurück gekehrt und werde bestimmt noch den ein oder anderen Kurztrip in die HELL-tmetropole machen.

Wertung zu Dead Island 2 von Deep Silver und Dambuster Studios
4,5 von 5 Danis.