The Walking Dead: The Final Season

   Von Bea

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Nach sieben Jahren findet ehemals Telltales, jetzt Skybound GamesThe Walking Dead nun mit der letzten und 4. Episode mit dem Titel Take Us Back sein Ende. Auf den Erstrelease im April 2012 folgten vier Seasons mit insgesamt 19 Folgen und die extra Folge 400 Days. Wie auch Clementine haben wir seitdem einiges durchgemacht – wenn auch deutlich weniger Zombies im Spiel waren. Im Gegensatz zu uns wurde Clem aber nicht zu einem perma-gelangweilten Millennial, der sich wundert wieso alle um ihn herum heiraten und Kinder kriegen, sondern zu einer ziemlich badass Teenagerin, die nicht nur ein Kind erzieht, sondern nebenbei nach so vielen Jahren immer noch überlebt. So gesehen sind wir mindestens genau so badass – schließlich überleben auch wir ohne Probleme. Meistens.

Achtung: Dieser Artikel enthält potentielle Spoiler für sämtliche Folgen des Spiels The Walking Dead. Ja, inklusive der letzten Folge.

 

Im Gegensatz zu uns und Clem hat Telltale leider nicht bis zur letzten Folge von TWD überlebt. Auf dem halben Weg durch Season 4 gab das Studio sein Ende bekannt. Danach war kurze Zeit ungewiss, was aus der Reihe werden würde, bis sich Skybound Studios seiner angenommen und in Zusammenarbeit mit ehemaligen Telltale-Mitarbeitern ein würdiges Ende für die Walking Dead Saga in Aussicht gestellt hat. Aber das wisst ihr natürlich alles. Die Frage die bleibt ist nun: Wie gut ist das Produkt?

 

Kurz vorab: In diesem Artikel geht es hauptsächlich um die Story des Spiels. Trotz manchmal unfreiwillig unterhaltsamer Augenbrauenphysik und dem ein oder anderen Hänger gibt es technisch keine erwähnenswerten Unterschiede zu vorangegangenen TWD Titeln. Also konzentrieren wir uns hier auf die Story. Down the rabbit hole we go! Und Achtung, es wird leicht analytisch.

 

Die größte Stärke der TWD Reihe ist gleichzeitig Grund für viele Fans, dem Spiel den Rücken zuzukehren. Charaktere sind und waren immer sterblich. Ein Game of Thrones-sches Spektakel, in dem niemand wirklich sicher sein kann, das sein Lieblingscharakter am Ende überlebt, oder eben – wie so viele – nicht. Zurecht sind viele Spieler verärgert wenn ein geliebter Charakter mehr oder weniger elegant das Zeitliche segnet, gleichzeitig ist aber genau diese vermeintliche Sterblichkeit das Spannende an TWD. Wichtig dafür: Sympathie. Wenn ich den Charakter nicht mag, der gerade vor meinen Augen dramatisch von Zombies davon geschleift wird, wirkt das Ganze nicht. Natürlich ist sich das Studio dessen bewusst und bemüht sich nach und nach eine emotionale Bedeutung für die einzelnen Charaktere zu formen.

 

Die Charaktere, die man über die Zeit ins Herz geschlossen hatte, oder zumindest in die Abschussliste, waren zu Beginn von Staffel 4 schon stark ausgedünnt. Kein Lee, kein Kenny, keine Carley. Einzig Lilly erscheint wieder für längere Zeit auf der Bildfläche. Und auf die hätten wir wirklich verzichten können.

Was bleibt, ist AJ. Und AJ ist schwierig.

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AJ und Clem (same, Clem, same)

AJ ist mehr Plot-Device als eigenständiger Charakter. Ein Feedback-System um die angeblich weitreichenden Folgen der Entscheidungen des Spielenden aufzuzeigen. Dadurch passiert es, dass AJ denkbar wenig eigene Charaktereigenschaften besitzt. Natürlich macht das auch Sinn, schließlich war der Spieler bzw. Clem die einzige Bezugsperson seit seiner frühesten Kindheit. Und klar, in der Zombieapokalypse ist wenig Platz für eine unbeschwerte Kindheit, die vielleicht ein glückliches Kind und einen geistig gesunden Erwachsenen hervorbringen könnte. Und genau deswegen sei auch dahingestellt, ob man AJs Charakter tatsächlich kritisieren kann, wenn er doch nur ein Produkt seiner Umwelt und der Entscheidungen des Spielers ist. Aber nichtsdestotrotz hat das zur Folge, dass AJ seitens der Spieler nicht unbedingt als Sympathieträger gesehen werden kann. Damit geht die Fallhöhe verloren, sollte AJ etwas zustoßen. Das wird wiederum kompensiert in der Verzweiflung Clems. Nicht selten war ihre Reaktion und Bemühen um AJ das Einzige, das Emotionalität ins Spiel gebracht hat. Und damit sind wir am Ende dieses Absatzes, der so endet wie er begonnen hat: AJ ist (für mich) ein reines Plot-Device, kein Sympathieträger.

 

Natürlich muss man für Season 4 auch über die neuen Charaktere sprechen. Die ehemaligen Schüler von Ericson, bei denen Clem und AJ Zuflucht finden. Aber irgendwie funktionieren – zumindest für mich – die Charaktere nicht so richtig. Die Frage ist: Warum? Vielleicht war ich von so vielen Jahren TWD einfach nur abgestumpft, weil bisher jeder andere Charakter außer Clem und AJ wieder von der Bildfläche verschwunden ist und habe gar nicht erst versucht, die neuen Charaktere zu mögen. Aber vielleicht war es einfach ein Klischee zu viel zwischen zahnlosem Hillbilly-Jungen mit Aggressionsproblem, Südstaaten-Mama in Teenagerform, skrupellosem Frat-Boy und Jayden Smith.

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Rosie im Vordergrund: Lieblingscharakter-Potential auf vier Pfoten

Am Beginn von Episode 3 war mein Gedankengang folgender: Es gibt nur zwei Möglichkeiten um ein würdiges Ende für TWD zu hinterlassen.

  1. AJ stirbt. Was aber bedeuten würde, Clem steht quasi wieder am Anfang. Das hat bei anderen Seasons funktioniert, aber für das Ende der ganzen Reihe wäre das mehr als fragwürdig. Und damit sind wir bei der zweiten Möglichkeit:
  2. Clementine stirbt.

Für TWD Veteranen, die immer noch an Flashbacks zu Lees Tod leiden, klingt die zweite Möglichkeit erschreckend realistisch. So auch mein Gedankengang während Episode 4. Und diese Gedanken wurden immer mehr und immer lauter. Im Verlauf von Episode 4 war ich irgendwann an einem Punkt angekommen, an dem ich das Spiel einfach abschalten wollte, mit dem enttäuschten Text für diesen Artikel im Kopf.

 

Bis zum neuen wahrscheinlich größten Plottwist in TWD. Der innerhalb einer Sekunde zuschlägt und zumindest mich getroffen hat wie eine übermotivierte Abrissbirne. Und mit dem die komplette Season 4 und damit das Ende der Reihe die Kurve gekriegt hat. Ich glaube behaupten zu können: Dieser Twist kann keinen TWD Fan kalt gelassen haben.

 

Hätte Season 4 besser sein können? Wahrscheinlich. Wäre ein letzter (positiver) Charakter-Return von früheren Staffeln cool gewesen? Ja. Aber ist Season 4 ein würdiges Ende für The Walking Dead? Absolut. Clem lebt, AJ lebt und beide haben das, wonach sie so lang gesucht haben: Normalität inmitten des Chaos.

 

An dieser Stelle könnte man vielleicht nochmal nostalgisch werden. Das letzte Review für TWD. Nach sieben Jahren mit der Reihe. Aber ich bin froh, dass ich dieses Review überhaupt schreiben kann. Danke Skybound, RIP Telltale. Und mach’s gut, Clem. Wir werden dich vermissen.

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4 von 5 Clementine-Caps.