Von Bea
Wenn die ansässige Star Wars-Botschafterin zum Review gebeten wird, um ein Star Wars-Game zu reviewen, erwartet man wohl entweder absoluten Hype oder das klassische Erbsenzählen. Ich hab mich für euch in Star Wars Outlaws gestürzt und bin irgendwie am anderen Ende des Strudels auch wieder rausgekommen. Wie die Reise war? Schnappt euch eine Tasse Caf, legt die Füße hoch und lasst mich euch ein Bild mit Worten malen. Nach Star Wars Jedi: Fallen Order und Star Wars Jedi: Survivor war das Warten auf das nächste große Star Wars-Game nicht allzu lang – aber im Gegensatz zu den beiden Spielen, produziert im Hause Respawn Entertainment und gepublisht von Electronic Arts, waren hier die Leute von Massive Entertainment und Ubisoft am Werk.
Auch in anderen Aspekten hinkt der Vergleich dieser drei Spiele sehr, zumal Outlaws als erstes aktuelles (!) Star Wars-Game einen Open World-Ansatz zum Ziel hat, und Fallen Order und Jedi Survivor im Vergleich relativ linear unterwegs waren. War ich deshalb nicht besonders happy mit dem guten Cal Kestis? Vielleicht. Denn Ingame-Welten mit möglichst vielen Freiheiten und RPG-Elementen, die es trotzdem schaffen, einen roten Faden mit einer schlüssigen Story zu schreiben, sind für mich persönlich die höchste Kunst der Triple-A-Spielewelt. Eine lineare Welt ist natürlich auch gut und schön, aber wer wollte nicht schon mal in der Welt von Star Wars versinken und tun und lassen, was man will? Role-Playing, Immersion, Eintauchen. All das. Für mich persönlich hat das mit Fallen Order und Jedi Survivor nicht klappen wollen. Meine Augen waren auf Outlaws gerichtet. Die Ironie dieses Reviews ist wohl, dass ich selbst alle Mühe habe, mir einen roten Faden zu erarbeiten, weil – und wer unseren Podcast hört, weiß das – mein Hirn bei Star Wars einfach nur losfeuert wie eine Truppe Clone Trooper bei Order 66 (too soon?). Aber eins nach dem anderen.
Man startet als Kay Vess in Canto Bight, zusammen mit Nix, einem Merqaal, bekannt aus sämtlichen Trailern und Marketing-Materialien. Und so offensichtlich das Konzept eines niedlichen Sidekicks, der auch noch nützlich ist, auch sein mag: Nix erfüllt diese Rolle einfach sehr sehr gut. Dank katzenähnlicher Charakteristiken, verschiedenen Storysträngen und dem Gameplay an sich, und nicht zuletzt den Minigames, die man für Nix Treats spielt, schleicht sich der Axolotl-Katzen-Waschbär im Handumdrehen ins Herz.
Und apropos Sidekicks: Zumindest im ersten Moment wirkte auch ND-5 wie genau das. Neben R2, 3PO, Chopper, BB-8, BD-1, IG-11 etc. wäre ND hier in bester Gesellschaft. Aber im Verlauf der Story wird klar, dass ND-5, ein BX Commando Droid, aka „Clanker with tough armor“, mehr ist als nur ein gut funktionierender Sidekick. Aber keine Angst, in diesem Review gibt es keine Story-Spoiler. Nur so viel: Es gibt mehrere Handlungsstränge, und während einer davon als roter Faden fungiert, fällt es mir schwer, zu sagen, bei welchen ich emotional mehr investiert war.
Kay ist zwar quasi gelernte Diebin und nicht unbedingt legal unterwegs, bewegt sich aber, im Maßstab dieser Galaxie, im ethisch guten Bereich. Auch das ist für Star Wars-Protagonist*innen nichts Neues – spannend finde ich aber zum Beispiel das Adrenalin-System, das es einem erst ab einem gewissen Level an Adrenalin, verursacht durch gegnerische Angriffe oder prekäre Situationen, ermöglicht, auf Gegner zu schießen. Dann allerdings recht effektiv: dank zahlreicher Blaster-Upgrades und der Adrenaline Rush-Funktion, mit der man bis zu sechs Gegner in Zeitlupe anzielen und anschließend ausschalten kann.
Adrenaline Rush fühlt sich denkbar befriedigend an – besonders während man auf dem Speeder unterwegs ist – aber generell fühlen sich sehr viele Elemente von Outlaws einfach super „satisfying“ an: Da wären zum Beispiel die Slicing Puzzles, die an Mastermind erinnern, das Schlossknacken mit dem Data Spike, das wie ein rhythm Minigame funktioniert, oder einfach sämtliche Funktionen und Soundeffekte, während man mit der Trailblazer durchs All schippert. Generell ist die Steuerung der Trailblazer und der Kampf im All einfach super spaßig, wenig frustrierend und ich glaube auch behaupten zu dürfen relativ einfach, auch wenn man nicht besonders gut mit der Flugsteuerung klarkommt. Squadrons musste ich zum Beispiel aufgrund meiner eigenen Unfähigkeit sehr schnell wieder weglegen. Aber in Outlaws fühlt sich der Flug im Weltall einfach sehr filmähnlich an und ich glaube nicht, dass das daran liegt, dass ich plötzlich Poe Dameron-eske Skills habe.
Ob die Trailblazer oder Kay selbst, was man auch gerade steuert – die teils atemberaubende Umwelt, die man währenddessen erkundet, gibt fast allem Geschehen ein „Wie-im-Film“-Gefühl. Meine Empfindungen im Playthrough: Canto Bight? Hey, cool. Toshara? Wow, Speeder-Fahren ist cool und Mirogana fühlt sich echt dicht und realistisch an. Aber als ich Fuß auf Tatooine gesetzt habe und neben einem Landspeeder stehend auf den schier unendlichen Sand hinausschaue, wo sich in der Ferne eine Herde Banthas ihren Weg bahnt …? Auch wenn viele Leute im Fandom die Tatooine-zentrische Erzählwelt (zurecht) etwas satthaben: Dieser Moment hat sich wirklich angefühlt wie ein kleines Heimkommen in die Star Wars-Galaxie, wo man diesmal selbst entscheiden kann, wo man hingeht und wie lange genau man in der Cantina bleibt.
Genau da kommen wir allerdings zu dem Punkt, den ich persönlich etwas schade finde. Mir ist natürlich klar, dass Outlaws nicht wirklich ein RPG sein will. Man spielt einen vorgefertigten Charakter in einer recht festgelegten Story. Aber ein Teil von mir wünscht sich trotzdem, dass man einen eigenen Char erstellen kann. Ich will mich in der Cantina hinsetzen können. Ich will auch außerhalb von Missionen Dialoge führen und zwischenmenschliche Beziehungen unterhalten. Ich will meine Kleidung anpassen können, statt nur aus bestehenden Outfit-Kombinationen auszuwählen, die ich eher wegen ihrer Stats als wegen ihres Aussehens tragen muss. Ich will die Einrichtung der Trailblazer bearbeiten können. Und am wichtigsten, ich will Unterkünfte besitzen und einrichten dürfen! Es gibt so viele Ecken dieser Welt, wo ein kleiner Unterschlupf Platz hätte. Aber wie gesagt: Ich verstehe, dass Outlaws nicht so ein Spiel sein will. Ich konzentriere mich also auf die wenigen RP-Elemente, die mir das Spiel gibt: Sabacc spielen, Henkus streicheln und die Klotür der Trailblazer auf- und zumachen.
Beim Thema Outlaws und Immersion muss man natürlich auch die Musik erwähnen – komponiert von Wilbert Roget II, der neben einigen Star Wars-Games auch an namhaften Action-Franchises wie Mortal Combat, Call of Duty oder Destiny musikalisch mitgearbeitet hat. Laut Roget selbst war die Aufgabenstellung für Outlaws, Musik zu erschaffen, die weniger orchestral wirkt als die klassische Star Wars-Musik und stattdessen actionreicher und dynamischer funktioniert. Und das Resultat kann sich hören lassen – übrigens auch auf Musik-Streaming-Diensten. Aufräumen macht in Mos Eisley eben definitiv mehr Spaß als in der eigenen Wohnung. Nach all den Lobeshymnen muss an dieser Stelle auch Negatives erwähnt werden. Wunderschönes environmental Design und tolle Grafik sind eine Sache, aber technische Performance ist eine andere. Es sei anzumerken, dass ich hier nur für mich und mein Asus Zephyros G15 mit Nvidia 3080i sprechen kann und mir bewusst ist, dass ein Laptop GPU einfach nicht State of the Art ist. Trotzdem sei gesagt: Das Spiel hat sich mehrfach einfach geschlossen, ich bin einige Male durch Interaktionen mit irgendwelchen Ingame-Elementen in Wänden gelandet und musste neu laden, oder Quest-NPCs waren auf ihren Ausgangsstatus zurückgesetzt, obwohl die Quest längst abgeschlossen war, und nachdem ich den Dialog noch mal getriggert habe, steckte mein Spiel in der Dialog-Kamera fest. Das ist natürlich schade, hat aber meinem Playthrough mit ca. 55 Stunden Spielzeit bis zu den Credits keinen Abbruch getan.
"Die Einflechtung von Outlaws in die Welt von Star Wars und die Art und Weise, wie man als Fan (oder auch NIcht-Fan) in ebendiese Welt eintauchen kann, macht es zu dem Star Wars-Spiel, auf das viele gewartet haben."
Technische Probleme und der (hier von mir völlig subjektiv als negativ vermerkte) Mangel an RP-Elementen hin oder her – wie man an diesem Review unschwer erkennen kann, hat nichts davon der Freude, die mir dieses Spiel bereitet, einen Abbruch getan. Die Einflechtung von Outlaws in die Welt von Star Wars und die Art und Weise, wie man als Fan (oder auch Nicht-Fan) in ebendiese Welt eintauchen kann, macht es zu dem Star Wars-Spiel, auf das viele gewartet haben – ich zumindest bin sehr glücklich damit und werde bestimmt noch viele Stunden damit verbringen, selbst wenn die Story längst abgeschlossen ist.
Hier könnt ihr außerdem unseren Podcast zum Spiel hören:
Bonus:
(Der nachfolgende Absatz ist für nicht Star Wars-Fans vielleicht nur wirres Geschwurbel. Lesen auf eigene Gefahr.)
Prinzipiell finde ich es sehr toll, dass wir diesmal sehr viele Rhodians zu Gesicht bekommen, wenn vielleicht sogar ein wenig viele? Ich prangere den Mangel an Ithorians an! Auch wenn mich die vereinzelt auftauchenden Cantina-Kundschaften sehr gefreut haben. Zu den Droids: Anfangs auf Canto Bight dachte ich noch, wow C-3PO und R2 Easter Egg! Nur um dann festzustellen, dass es in dieser Version der Galaxie wohl eine Überproduktion an 3PO Protocol Droids und R2 Astromechs gab. Außerdem in Hülle und Fülle vorhanden: Gonk Droids! Nur bin ich da überhaupt nicht sauer. Man kann nie genug Gonkies haben.