South of Midnight

   Von Miggi

Titelbild zu South of Midnight von Compulsion Games und Xbox Game Studios

Das Kanadische Studio Compulsion Games Inc., das 2009 vom Ex-Arkane Studios Entwickler Guillaume Provost gegründet wurde, hatte mich vor 2 Jahren ordentlich aufhorchen lassen. Nachdem weder der Puzzle Platformer Contrast noch das darauffolgende We Happy Few, in das ich mich mehrmals versucht habe erfolglos reinzufuchsen, mich so richtig abholen konnten, sah es mit der Ankündigung von South of Midnight während des Xbox Showcases im Juni nämlich so aus, als würde hier etwas ganz Besonderes auf uns warten. Schon damals war der Titel optisch aber auch thematisch für mich eines der Highlights des Showcases, auch wenn ich durch die vorigen Erfahrungen etwas vorsichtig war und nicht direkt auf den Hype-Train aufgesprungen bin. Über die vergangenen Monate wurde die Vorfreude aber größer, denn je mehr man zu South of Midnight gesehen hatte, desto stimmiger wirkte das Konzept und auch das Gameplay sah sauber und smooth aus. Also habe ich mich im April, in dem die Flut an Ausnahme-Titeln wirklich hoch war, direkt ins Bayou begeben, um zu sehen, ob hier eine Perle im Sumpf schlummert.

Direkt zu Beginn des Spiels sieht sich Protagonistin Hazel Flood einem Hurricane ausgesetzt, der nicht nur ihren Heimatort Prospero, sondern auch direkt ihr Wohnhaus bzw. ihre Mutter Lacey bedroht. Während die beiden gerade noch ihre Sachen packen und den Nachbar*innen Bescheid geben, reißt eine Welle ihr Haus in den Fluss und Hazel versucht vergeblich ihre Mutter zu retten, die sich noch im Haus befindet. Während sie dem Haus im Fluss hinterherläuft sieht sie überall schon seltsame Geister-Stränge in der Luft und merkt, dass hier etwas Übernatürliches am Werk sein muss. Nachdem ihr Rettungsversuch scheitert und das Haus mitsamt Mutter endgültig vom Fluss mitgerissen wird, wendet sie sich an ihre scheinbar sehr reiche Großmutter Bunny, erzählt ihr was passiert ist und findet sich recht schnell eingesperrt in deren großen Villa. Eventuell hätte sie den übernatürlichen Part in ihrer Erzählung lieber weggelassen. Hazel entkommt allerdings recht schnell aus der Villa, findet auf dem Weg noch Nadeln, mit denen sie die Stränge manipulieren kann und macht sich auf den Weg ihre Mutter zu retten.

Das riesige Krokodil Two-Toed Tom im Spiel South of Midnight von Compulsion Games und Xbox Game Studios
Ein Österreichischer Politiker hat einmal im Parlament zu einem anderen gesagt "Für mich sind Sie Sternzeichen Krokodil - eine große Pappn (= Maul) und ein kleines Hirn!" and I think that's beautiful.

Während Hazel weiter dem Fluss folgt, um ihre Mutter zu finden, tauchen zusätzlich zu den Strängen noch mehr übernatürliche Phänomene auf und unsere Protagonistin lernt gezwungenermaßen schnell mit ihren beiden Nadeln umzugehen. Diese können die Umgebung bzw. die Stränge in der Umgebung manipulieren und so verschiedene Gegenstände wie Brücken oder Plattformen manifestieren, die ihr dazu nutzen könnt, euch besser durch die Gebiete zu bewegen. Mit fortlaufender Spieldauer lernt Hazel außerdem noch mehr Fähigkeiten, wie etwa einen Wallrun oder auch die Fähigkeit sich an bestimmte Punkte heranzuziehen. Im Spiel bzw. der Story gibt es in bestimmten Abständen immer wieder Passagen, in denen ihr möglichst schnell einen kleinen Parcours ablaufen und dabei alle eure Fähigkeiten kombinieren müsst, damit ihr rechtzeitig ans Ziel kommt. Als Platformer-Fan hatte ich damit natürlich direkt viel Spaß und muss auch sagen, dass die Steuerung und Präzision aller Fähigkeiten hier gut gelungen ist und so nicht für unnötigen Frust sorgt.

 

South of Midnight bietet dabei keine Open World, durch die ihr euch frei bewegen könnt, sondern in insgesamt 14 Kapitel unterteilte Story-Abschnitte, die relativ stringent aufgebaut sind. Das heißt aber nicht, dass es in der Welt nichts zu entdecken gibt und ihr einfach stur einem vorgegebenen Pfad folgen müsst: neben eurem Hauptziel gibt es immer wieder versteckte Seitengassen, Höhlen und andere Orte zu entdecken. Dort findet ihr entweder Lore-Schnipsel, die euch mehr zur Spielwelt erzählen und Gegenstände, die eure maximale Gesundheit verbessern, aber auch allerhand Material, mit dem ihr eure Skills aufleveln könnt. Und keine Sorge, euch erwartet hier kein unnötig umfangreicher und verschachtelter Skill-Tree - insgesamt könnt ihr jede eurer Hauptfertigkeiten 3 Mal verbessern und habt dann noch generelle Upgrades, die euch z.B. neue Moves für die Kämpfe beibringen oder eure vorhandenen Attacken verstärken. Denn gekämpft wird in South of Midnight auch immer wieder.

Hazel sitzt auf einem großen Catfish während ein Hase sie ansieht in South of Midnight von Compulsion Games und Xbox Game Studios
Der Catfish hat mich gecatfished, ich glaube der ist gar kein normaler Catfish!

Die Kämpfe finden in South of Midnight stets in abgesteckten Arenen statt, in denen mehrere Gegner spawnen. Das Kampfsystem ist gut, aber keine Revolution - ihr kämpft in der dritten Person, habt einen Button für Attacken, die ihr auch aufladen könnt, wenn ihr diesen länger gedrückt haltet und verschiedene Special Moves mit Cooldown. Ihr könnt springen und Attacken aus der Luft ausführen und habt einen Dodge, der bei perfekter Ausführung und dem dazugehörigen Upgrade auch Schaden machen kann. Eine eurer späteren Fähigkeiten und vermutlich die mächtigste lässt außerdem einen der Gegner kurze Zeit für euch kämpfen. Habt ihr einen Gegner besiegt könnt ihr diesen außerdem mit euren Nadeln entwirren, was den restlichen Feinden ebenfalls Schaden zufügen kann. Die Standard-Kämpfe waren, anders als die Bosskämpfe, mit denen ich wirklich sehr viel Spaß hatte, nicht unbedingt mein Highlight des Spiels, passen aber gut zum restlichen Gameplay und sind absolut solide umgesetzt. Habt ihr eine Arena abgeschlossen respawnen die Gegner nicht mehr, so ist der Umfang der Kampfabschnitte einigermaßen überschaubar und bleibt durch die verschiedenen Fähigkeiten die Stück für Stück dazu kommen und neue Gegnertypen immer einigermaßen frisch und unterhaltsam. Mit Titeln wie etwa einem Devil May Cry, die mehr Fokus auf die Kämpfe legen, kann das ganze aber natürlich nicht mithalten.

 

Das muss South of Midnight aber zum Glück auch gar nicht. Womit mich das Spiel nämlich am Ende richtig überzeugen konnte, war der Vibe, den das Spiel einfängt und der das restliche Gameplay als solides Fundament nutzt. Das Setting an sich ist ja schon mal eines, das man in Videospielen bisher eher selten bis gar nicht gesehen hat, von dem ich aber direkt fasziniert war. Wie smart Compulsion Games die verschiedenen Folklore-Gestalten und -Mythen des Deep South in die Story eingebaut hat und wie einzigartig und besonders das dann auch noch optisch umgesetzt wurde, sucht seinesgleichen. Neben den charakteristischen Designs nutzt das Spiel eine Art Stop Motion-Ästhetik, die nicht nur in den Videosequenzen, sondern auch die restliche Zeit zum Einsatz kommt. Während ich anfangs noch skeptisch war, ob mich das überzeugen kann, oder ich es einfach nur als Ruckeln wahrnehme, hat es mich spätestens nach den ersten paar Videosequenzen und Abschnitten komplett überzeugt und für mich persönlich sehr viel zum Spielerlebnis beigetragen. Solltet ihr Probleme damit haben, könnt ihr den Effekt aber auch ganz einfach in den Accessibility-Optionen deaktiveren und keine Sorge - South of Midnight ist auch ohne diesen Effekt ein wunderschönes Spiel.

Huggin Molly starrt Hazel an in South of Midnight von Compulsion Games und Xbox Game Studios
Mach kein(e) Auge(n)!

 

Neben der besonderen Optik gibt es aber auch noch einen weiteren Punkt, der South of Midnight für mich besonders magisch gemacht hat: der Soundtrack. Ich bin mir gar nicht sicher, ob wir hier schon einmal namentlich in einer Review über Olivier Derivière gesprochen haben - falls nicht, Schande über uns - aber zumindest während der Berichterstattung zur devcom haben wir schon einmal über ihn gesprochen. Was der französische Musiker hier wieder einmal gezaubert hat ist jedenfalls absurd. Nachdem seine Stücke und Herangehensweise an Soundtracks schon die beiden Plague Tale-Spielen oder Dying Light 2 aufgewertet haben, zeichnet er sich auch für den Soundtrack in South of Midnight verantwortlich und der Mann weiß einfach, was er tut. Die Stücke passen perfekt in die Welt, ziehen ihre Inspiration aus dem Blues, Country und Bluegrass des amerikanischen Süden und reagieren dynamisch auf Aktionen der Spieler*innen, wodurch eine noch viel lebendigere Spielwelt entsteht. Aufgenommen wurde der Soundtrack vom London Contemporary Orchestra in den weltbekannten Abbey Road Studios und alleine die Boss-Themes sind absolute Banger, die es direkt in meine persönliche Playlist geschafft haben.

"South of Midnight bringt ein glaubhaftes und vor allem stimmungsvolles Stück Deep South auf die Xbox und den PC, punktet dabei mit einem einzigartigen Look und der thematisch passende Soundtrack tut sein Übriges, um das Spiel außergewöhnlich zu machen."

Was meine Erwartungen an das Spiel anging, war ich bis zum Zeitpunkt des Releases in einem ständigen Zwiespalt: während die Optik und das Setting mich komplett abgeholt hatten, war ich im Hinblick auf das Gameplay und die Erfahrungen mit We Happy Few noch etwas vorsichtig mit der Vorfreude. Zum Glück hat Compulsion Games aber ein gelungenes Debut als Xbox Game Studio abgeliefert, mit dem ich richtig spaßige 10 Stunden verbracht habe. Die Kämpfe sind solide und vor allem abwechslungsreich genug, um als perfektes Fundament für die wahren Stärken des Spiels zu dienen: South of Midnight bringt ein glaubhaftes und vor allem stimmungsvolles Stück Deep South auf die Xbox und den PC, punktet dabei mit einem einzigartigen Look und der thematisch passende Soundtrack tut sein Übriges, um das Spiel außergewöhnlich zu machen. Ich hatte während meiner Sessions auf der Series X keine Probleme mit irgendwelchen Bugs und kann auch zur Performance nichts negatives verlieren. Das Gameplay selbst bringt jetzt nicht die neueste Innovation mit sich, nutzt sich aber in der Spielzeit nicht ab und für 40€ oder direkt als Xbox Game Pass-Abonnent*in macht man hier definitiv nichts falsch, vor allem nicht wenn man auf ausgefallene Settings und wunderschöne Soundtracks steht.

Wertung zu South of Midnight von Compulsion Games und Xbox Game Studios
4 von 5 Croutons.