Von Miggi
Es gibt so Spiele, die spielt man und denkt währenddessen darüber nach, wie absurd es eigentlich ist, dass dieses Spiel überhaupt je erschienen ist. Und ich glaube bei keinem Spiel ever ist diese Feststellung mehr gerechtfertigt als bei Return to Monkey Island. Nachdem Ron Gilbert 1990 mit The Secret of Monkey Island mal eben so eines der definitiv bis heute meistzitierten und legendärsten Videospiele aller Zeiten geschaffen hat, war der Siegeszug von Guybrush Threepwood kaum zu stoppen. 1991 folgte mit LeChuck’s Revenge direkt ein zweiter Teil, der Fans mit einem riesigen Cliffhanger zurückließ, der nie aufgelöst wurde, auch nicht als 1997 mit The Curse of Monkey Island der langersehnte dritte Teil erschien, bei dem Schöpfer Ron Gilbert nicht mehr beteiligt war. Dieser hatte nämlich eigentlich andere Pläne die Trilogie und es mussten erst sehr viele Jahre ins Land ziehen, mehrere weitere Teile der Serie veröffentlicht werden, Studios schließen und wiederbelebt werden, Remaster-Versionen erscheinen und ein komplett neues Studio sich an das Franchise heranwagen, bis er zu seinem Baby zurückkehren und seine Trilogie vollenden konnte. Und damit sind wir nun bei Return to Monkey Island angekommen.
Falls ihr aus welchen Gründen auch immer Monkey Island 2: LeChuck’s Revenge noch nicht gespielt habt, habe ich drei wichtige Punkte dazu. Erstens: Schande über euch! Zweitens: Holt das unbedingt nach. Die ersten beiden Spiele dauern nicht lange, sind in der Special Edition auf allen modernen Konsolen und natürlich dem PC leicht zu bekommen und lohnen sich auch heute noch als wären sie nicht schon vor über 30 Jahren erschienen. Und drittens: weil ich niemandem das Erlebnis nehmen will und es auch in meinen eigenen Worten niemals so gut ausdrücken könnte, werde ich an dieser Stelle die Handlung von Return to Monkey Island nicht vorwegnehmen. Es sei nur so viel gesagt, dass die Story direkt nach dem Ende des zweiten Teils ansetzt und uns wirklich den Cliffhanger auflöst, den viele von uns schon jahrelang mit sich rumgetragen haben.
Wie zu erwarten, hat der dritte und gleichzeitig achte Teil der Serie jetzt keine 180-Grad-Drehung beim Gameplay hingelegt. Return to Monkey Island ist immer noch ein Point & Click-Adventure der alten Schule mit allem, was dazu gehört. Ihr bewegt euren Protagonisten Gubyrush durch die Welt, interagiert mit verschiedenen Objekten und Personen und versucht verschiedene Rätsel zu lösen, um die Story voranzutreiben. Dabei trefft ihr nicht nur viele alte Weggefährt*innen, sondern könnt auch an jeder Ecke Easter Eggs noch und nöcher finden. Und das beschränkt sich nicht nur auf die ersten beiden Teile, sondern auch auf alle danach erschienenen Spiele. Fans von Totenkopf Murray können also aufatmen - dieser wurde nicht aus dem Canon gestrichen und existiert hier plötzlich nicht mehr, sondern spielt in Return to Monkey Island auch eine wichtige Rolle. Aber auch Fan-Lieblinge wie Elaine Marley, Stan S. Stanman, Wally B.Feed und unser Erzfeind LeChuck tauchen im Laufe des Spiels auf.
Neben dem bloßen interagieren mit Objekten in eurer Umwelt, habt ihr aber auch wieder ein Inventar, auf das ihr zugreifen könnt. In diesem sammelt Guybrush alle möglichen Gegenstände, die teilweise auf den ersten Blick absolut keinen Nutzen haben. Man muss also wie schon früher (Stichwort Monkey Wrench) teilweise wieder ordentlich um die Ecke denken, um jedes Rätsel zu lösen. Aber keine Sorge, es gibt zum einen zwei Schwierigkeitsgrade und zum anderen ein sehr praktisches Tipp-System, bei dem ihr euch Hilfe holen könnt, solltet ihr mal feststecken. Mit gut funktionierendem und vor allem cleveren Point & Click-Gameplay kennt sich Entwicklungs-Studio Terrible Toybox zum Glück ja aus. Und wen wundert es? Immerhin wurde das Studio von Ron Gilbert himself gegründet, um das 2017 veröffentlichte Thimbleweed Park zu entwickeln.
Neben einem Haufen Fanservice, der an keiner Stelle erzwungen oder plump wirkt, punktet Return to Monkey Island aber vor allem mit einem: seinem Humor. Und davon ist seit den 90er Jahren kein Stück verloren gegangen. Die Dialoge lassen einen teilweise immer wieder laut loslachen, die Geschichte ist gleichzeitig komisch und trotzdem super spannend und selbst random Kommentare von Guybrush zur Umgebung sind teilweise einfach nur Gold. Daher auch von meiner Seite ein Appell an alle da draußen - versucht das Spiel nicht schnell durchzuboxen. Nehmt euch die Zeit, seht euch eure Umgebung gut an und reizt ruhig alle Dialog-Optionen so gut aus, wie ihr nur könnt. Das Writing und Pacing werden es euch danken!
Außerdem werdet ihr, wenn ihr euch genau umschaut, immer wieder Trivia Karten finden, die in der Welt verteilt sind. Diese könnt ihr in eurem Inventar ansteuern und dort Fragen zur Serie Monkey Island an sich, der Entwicklung davon und Return to Monkey Island selbst beantworten. Für die Story sind die Karten absolut irrelevant und einfach nur ein nettes Gimmick, aber ich hatte trotzdem sauviel Spaß damit. Und auch wenn ich jetzt schon viel über Fan-Service und Easter Eggs geredet habe - selbst, wenn das hier euer erstes Monkey Island-Abenteuer sein sollte, ist der Einstieg absolut nicht sperrig und das Spiel auch für Erstlinge absolut empfehlenswert. Ihr bekommt sogar einen unfassbar süß gestalteten Rückblick am Anfang des Spiels, was Guybrush bisher so passiert, was bestimmt auch für Veteran*innen nicht verkehrt ist, um das Gedächtnis ein bisschen aufzufrischen.
Dem großen Aufschrei, als Return to Monkey Island überraschend vom Serienschöpfer am 01. April 2022 angekündigt wurde, folgten am 4. April aber nicht nur ein erster Teaser von Publisher Devolver Digital, sondern auch heftige Kritik online zum Artstyle. Das veranlasste nicht nur Gilbert selbst dazu auf die Kritik zu reagieren, sondern auch ich muss an dieser Stelle sagen - habt ihr sie noch alle? Das Spiel ist so liebevoll animiert und jeder Schauplatz strotzt einfach nur von kleinen Details. Ich jedenfalls liebe den Stil und auch wenn man nicht direkt Fan davon sein sollte glaube ich, dass einem das ganze schneller ans Herz wachsen wird, als man am Anfang annehmen möchte. Untermalt wird das Optische nicht nur durch den ikonischen Soundtrack von Michael Land, Peter McConnell und Clint Bajakian, auch die Original-Synchronsprecher*innen von Guybrush, Elaine, Murray und mehr kehren zurück. Lediglich LeChucks Sprecher musste (mit dem Segen des Originals) neu besetzt werden, da dieser 2017 in den Ruhestand gegangen ist.
"Return to Monkey Island ist nicht nur Fanservice, sondern ein Full Circle-Moment, den es in der Videospielwelt so wohl nicht noch einmal geben wird. "
Wer hätte gedacht, dass auf dieser Seite jemals eine Review zu einem neuen Monkey Island-Teil von Ron Gilbert erscheint? Also ich auf jeden Fall nicht. Nach ungefähr 9 Stunden Spielzeit habe ich diese nun aber fast fertig und hoffe, dass man ein bisschen herauslesen kann, wie glücklich mich dieses Spiel gemacht hat. Return to Monkey Island ist nicht nur Fanservice, sondern ein Full Circle-Moment, den es in der Videospielwelt so wohl nicht noch einmal geben wird. Nach über 30 Jahren haben es Ron Gilbert und Co. nicht nur geschafft da anzuknüpfen, wo sie damals aufgehört haben, sondern alles stimmig zu verpacken, das Gameplay da zu modernisieren, wo es eventuell schon etwas Staub angesetzt hatte und damit einfach ein wunderschönes Erlebnis in Videospiel-Form zu schaffen. Ich bin froh, dass ich alt genug bin, um diesen Moment so erlebt zu haben und hoffe, dass eventuell auch ein jüngeres Publikum damit Blut leckt und die immer noch grandiosen Abenteuer von Guybrush Threepwood erleben kann. Und in 30 Jahren oder so darf dann ruhig noch mal ein Teil rauskommen. Gerne auch früher. Also ich hätte zumindest nichts dagegen.