Persona 5 Tactica

   Von Miggi

Titelbild zu Persona 5 Tactica von ATLUS

Wiederkehrende Leser*innen erinnern sich vielleicht an meine Lobeshymne an Persona 5 Royal: das Spiel hat damals inmitten der Pandemie nicht nur mein Herz im Sturm erobert - das ist witzig, weil die Protagonist*innen die Phantom Thieves of Hearts sind und erklärte Witze sind sowieso immer die besten - sondern direkt meinen ganzen Alltag eingenommen. Seitdem bzw. seit dem ursprünglichen Releases des Grundspiels im Jahr 2016 ging doch schon einige Zeit ins Land und neben Ports für weitere Konsolen hat das Spiel rund um Joker und seine Bande mit Persona 5: Dancing in Starlight und Persona 5 Strikers direkt zwei Spin-Offs in anderen Genres bekommen. Bis jetzt: denn mit Persona 5 Tactica erwartet uns nun bereits das dritte Spin-Off und zwar in Form eines rundenbasierten Strategie-Spiels. Bestimmt nicht das erste woran man bei Persona denkt, aber hey, wenn ein Rythm Game und ein Musou funktionieren, dann sollten taktisches Positionieren der Einheiten und rundenbasierte Kämpfe doch eigentlich kein Problem sein, oder?

Das Spiel, das storytechnisch gegen Ende der Story von Persona 5 angesiedelt ist, startet mit einem scheinbar normalen Tag im Café Leblanc. Dort treffen sich die Phantom Thieves und es scheint ein recht normaler Nachmittag zu werden. Bis plötzlich die Tassen und Teller anfangen zu schweben, eine seltsame Tür auftaucht und alle plötzlich ihre Kostüme tragen, die sie sonst nur anhaben, wenn sie in der Parallelwelt, also dem Metaverse, sind.  Die Gruppe verlässt daraufhin das Kaffee und wird von einer Militärgruppe umzingelt, bevor die Rebellin Erina ihnen zu Hilfe eilt. Doch auch mit ihrer Hilfe kommen sie nicht gegen die übermächtige Marie an, die dieses Gebiet in ihrer Macht hält und der Großteil der Gruppe wird von ihr entführt. Übrig bleiben nur Joker, Mona und Erina und gemeinsam machen sie sich auf Marie das Handwerk zu legen und ihre Freund*innen zu retten. Dass sich dahinter vermutlich mehr verbirgt als ein einfacher Bosskampf und das war es, könnt ihr euch wahrscheinlich denken, in guter alter Persona-Manier werde ich zur Geschichte aber nicht mehr sagen, um euch hier nicht schon vorab zu viel zu verraten. Immerhin ist das hier immer noch Persona und das spoilert man unter keinen Umständen.

Joker zielt mit seiner Waffe in Persona 5 Tactica von ATLUS
Still looking cool, Joker.

Wie erwähnt kann man es am Namen des Spiels schon leicht erkennen: Persona 5 Tactica setzt die Tradition der Spin-Offs fort und macht einen Ausflug in ein neues Genre. Diesmal steht rundenbasierte Taktik-Action im Stil von XCOM oder Mutant Year Zero auf dem Menü. Hierzu stellt ihr euch eine Gruppe aus 3 Figuren zusammen, die ihr dann über das Schlachtfeld lotsen, gegnerische Einheiten angreifen und in Deckung gehen lassen könnt. Dabei hat jede Einheit verschiedene Reichweiten im Bezug auf Bewegung und Attacken. Ihr könnt euch hinter Mauern oder halbhohen Hindernissen verstecken, um euren eigenen Schaden zu minimieren und habt außerdem die Möglichkeit Leitern hochzuklettern und Feinde von oben anzugreifen. Das gleiche gilt natürlich aber auch für die andere Seite, weshalb ihr jederzeit aufpassen solltet, dass euch nicht plötzlich alle Gegner in den Rücken fallen. Angreifen könnt ihr entweder per Nahkampf, Fernkampf oder den Fähigkeiten der Personas. Jede Figur hat dabei eine bestimmte Waffe, die ihr immer weiter upgraden könnt und deren Persona hat zusätzlich noch ein spezielles Element, das euch im Kampf auf eine bestimmte Art von nutzen sein kann.

 

Bevor wir über Personas sprechen, bleiben wir aber erst mal noch bei den Grundlagen. Im für meinen Geschmack etwas zu langen Tutorial, das sich ein bisschen anfühlt wie Baby's First Tactics Game, wird euch neben den normalen Attacken nämlich noch ein bisschen mehr beigebracht, was ihr dringend für den Rest des Spiels verinnerlichen solltet. Befinden sich Feinde nämlich nicht in Deckung oder werden kritisch getroffen, können eure Protagonist*innen eine 1 More-Aktion ausführen, sobald sie diese erwischt haben. Das lädt quasi den gesamten Zug neu und ihr könnt euch weiter bewegen und noch eine zusätzliche Attacke ausführen. Im Grunde lässt sich das so lange aneinander ketten, bis euch die Gegner ausgegangen sind. Oder ihr aber eine All-Out Attacke startet, die man ebenfalls aus dem Hauptspiel kennt, nur das diese hier etwas anders funktioniert. Habt ihr nämlich einen Gegner mit der 1 More-Aktion attackiert, könnt ihr mit eurer Party ein flammendes Dreieck bilden und per Knopfdruck die All-Out Attacke ausführen. Alle Gegner, die sich innerhalb eures Dreiecks befinden, werden dabei verletzt und zwar mit richtig Wumms. So könnt ihr mit guter Platzierung eurer Gegner und eurer eigenen Einheiten am Feld teilweise ganze Kämpfe mit nur einer Attacke beenden. Am Ende jeder Mission erwartet euch außerdem eine Drei-Sterne-Bewertung, je nachdem wie schnell ihr diese beendet habt und ob eure Einheiten KO gegangen sind, oder nicht.

Die Persona Jack Frost in Persona 5 Tactica von ATLUS
HEE-HO!!

Aber kommen wir noch einmal kurz zurück zu den Personas. Denn auch diese wurden in Persona 5 Tactica, ihr habt es euch vermutlich schon gedacht, ins Taktik-Kostüm gesteckt und zwar ohne, dass es aufgezwungen wirkt. Wie auch schon im Hauptspiel, könnt ihr den Velvet Room besuchen und dort Personas fusionieren. Eure Hauptpersona, also Arsène für Joker, Captain Kidd für Ryuji usw., bleibt dabei immer gleich und kann lediglich durch jeweils eine Sub-Persona erweitert werden. Durch diese lassen sich die Fähigkeiten eurer Party erweitern, jede davon hat nämlich einen Standard-Skill und, falls ihr sie aus zwei anderen Personas selbst erstellt habt, einen weiteren Skill, den ihr aus der vorangegangenen Fusion mitnehmen könnt. Wie immer solltet ihr hier ein Auge darauf haben, welche Skills sinnvoll sind und welche man nicht unbedingt braucht und natürlich auch, ob es jetzt klug ist, Charakter X mit dieser Persona auszustatten. Es macht z.B. wenig Sinn Ann Takamaki mit noch mehr Feuerzaubern auszustatten, stattdessen wäre es hier klüger ihr z.B. einen Eiszauber, Heilungszauber oder Supportkräfte zu geben. Die Fähigkeiten eurer Hauptpersona könnt ihr dafür in Skill-Trees für jeden Charakter im Laufe des Spiels erweitern. So wird z.B. aus Bufu dann Mabufu oder Bufula, aber ihr könnt auch passive Buffs in den Skill-Trees bekommen.

 

Im Laufe des Spiels steigert ihr durch die verschiedenen Kämpfe euer Level und damit auch gleichzeitig den Level der Personas, die ihr mit euch führen oder fusionieren könnt. Schafft ihr es außerdem bestimmte Nebenquests zu absolvieren, schaltet ihr weitere, besonders mächtige Fusionen frei, die ihr durch mehrere andere Personas gleichzeitig erhalten könnt. Die Nebenquests gehen dabei von relativ einfachen Aufgaben bis hin zu richtigen Puzzles, in denen ihr die Mechaniken des Spiels nutzen müsst, um etwa Kämpfe innerhalb eines Zuges zu beenden. Und ich bin ganz ehrlich - davon hätte ich mir sogar noch mehr gewünscht, einfach als optionalen Content. Klar, die Story ist wieder super schön und selbst die Dialoge, die man optional nebenbei führen kann haben mich gut unterhalten und mehrmals laut lachen lassen. Aber der geheime Star des Spiels sind für mich diese in sich geschlossenen Missionen, die ihr nur abschließen könnt, wenn ihr die Fähigkeiten eurer Figuren und die Positionierung am Schlachtfeld zu 100% ausnutzen und umsetzen könnt. Sollte da irgendwann DLC kommen, bin ich der erste, der sich den holt und installiert.

Der Charakter Erina hält eine Flagge hoch in Persona 5 Tactica von ATLUS
¡Viva la Revolución!

Natürlich wäre Persona 5 Tactica aber kein Persona-Titel, wenn es nicht auch unglaublich stylish und hübsch wäre und selbst in Menüs sofort klarstellt, welches Spiel ihr hier gerade angemacht habt. Neben animierten Videosequenzen und diversen Artworks, die als Standbilder im Hintergrund gezeigt werden, bekommt ihr immer wieder die Charaktere zu sehen, die gerade am Wort sind. Dabei wird die Handlung aber nicht nur in Textboxen vorangetrieben, sondern ihr bekommt genug Synchro, die euch die Texte zusätzlich vorträgt. Zumindest in den storyrelevanten Parts des Spiels. Die Figuren zeigen sich dabei diesmal in einem neuen Chibi-Look, der zwar im ersten Moment etwas ungewohnt ist, den ich aber im Laufe des Spiels total ins Herz geschlossen habe. Sowohl in 3D-Sequenzen, als auch in den 2D-Charaktermodellen ist der Look unfassbar ausdrucksstark und manche Sprites sind einfach nur purer Zucker für die Augen. Gemeinsam mit der rot-schwarz-weißen Farbgebung, die man schon kennt hat ATLUS hier einfach wieder einen absolut einzigartigen Look geschaffen, bei dem man sofort weiß, welches Spiel es ist, auch wenn man nur kurz einmal hinguckt.

"Persona 5 Tactica schafft es den Chibi-Style der Figuren perfekt in den Look von Persona 5 zu übertragen und das auf Basis des taktischen Gameplays, das richtig viel Spaß macht und durch diverse Herausforderungen nie langweilig wird."

Die große Frage, die sich mir vor Release des Spiels gestellt hat, war, ob der Chibi-Look, das taktische Gameplay und Persona 5 als Serie in einem Topf zusammengeworfen für mich funktionieren werden. Nach der Demo-Session auf der gamescom im August war ich schon recht zuversichtlich und nach etwa 25 Stunden Spielzeit kann ich mit reinem Gewissen sagen: es funktioniert nicht einfach nur, es passt alles verdammt gut zusammen. Persona 5 Tactica schafft es den Chibi-Style der Figuren perfekt in den Look von Persona 5 zu übertragen und das auf Basis des taktischen Gameplays, das richtig viel Spaß macht und durch diverse Herausforderungen nie langweilig wird. Durch die Persona-Fusionen kann man sich das Leben entweder leichter aber auch schwerer machen, bereits gespielte Missionen können für den Wiederspielwert jederzeit wiederholt werden, falls man nicht alle Ziele beim ersten Mal direkt geschafft hat und vor allem die optionalen Herausforderungen haben mir verdammt viel Spaß gemacht. P5 Tactica ist vermutlich für Genre-Veteran*innen nicht das fordernsdste Taktik-Spiel da draußen, aber bestimmt eines der insgesamt charmantesten und für Fans der Reihe sowieso ein Muss. Neueinsteiger*innen können über den Xbox Game Pass reinschnuppern, es empfiehlt sich aber trotz der im Grunde in sich geschlossenen Story, erst das Hauptspiel zu spielen. Aber das ist sowieso eines der besten Spiele aller Zeiten, also worauf wartet ihr noch?

Wertung zu Persona 5 Tactica von ATLUS
4,5 von 5 Erinas.