Lost Records: Rage

   Von Yvonne

Titelbild zu Lost Records: Bloom & Rage von DON'T NOD Montréal

Am 15.04.25 erschien gut 2 Monate nach Release des ersten Tapes „Bloom“ (hier auch als Podcast-Special), nun endlich der 2. Teil der Lost Records Geschichte „Rage“, in welchem das Rätsel um Swann und ihre Freundinnen und den magischen Sommer 1995 endlich gelüftet werden soll. Nachdem uns Tape 1 nach einem sanften Einstieg einen saftigen Cliffhanger bescherte, steigen wir in Teil 2 mit einer insgesamt deutlich flotteren Erzählstruktur wieder in die Geschichte ein. Wir erleben erneut Swann und ihre Freundinnen sowohl in den 90ern als Teenager, als auch in der Gegenwart als erwachsene Frauen die versuchen, sich an diesen einen Sommer zurückerinnern. Wo Tape 1 uns mit viel Nostalgie und Herz abgeholt hat, mischt Tape 2 nun eine gute Portion Ernsthaftigkeit und Schwermut dazu und macht uns klar, dass der Name „Rage“ hier Programm sein wird.

Rebellisch, wütend, missverstanden und verzweifelt zeigen sich die 4 Mädchen in der Vergangenheit, ängstlich und unsicher in der Gegenwart, in der endlich enthüllt werden soll, was sie sich geschworen haben für immer zu vergessen. Die Themen Krankheit und Tod, Queerfeindlichkeit und missbräuchliches Verhalten, welche in Tape 1 bereits teilweise mehr als zu erahnen waren, rücken hier noch einmal deutlicher in den Fokus und schweißen die 4 Freundinnen noch enger zusammen. DONTNOD gelingt es hier sehr gut, die in Tape 1 getroffenen Entscheidungen in den weiteren Spielverlauf einzubinden und deutlich die Konsequenzen eben dieser Entscheidungen auszuspielen, von dessen Tragweite man teilweise sehr überrascht wird.

Ein niedliches Motten Plüschtier in Lost Records: Bloom & Rage von DON'T NOD Montréal
Bass goes GRRRL.

Generell fühlen sich die zu treffenden Entscheidungen wesentlich bedeutsamer an und scheinen auch schwerer zu fällen zu sein. Das Gesagt kommt, ganz wie im echten Leben, nicht immer so an wie es vielleicht gemeint war und so können die besten Intentionen und die vielleicht vernünftigsten Ratschläge die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den Freundinnen oftmals anders als erwartet beeinflussen. Nicht nur die Stimmung zwischen den Charakteren verändert sich im Laufe des Spiels maßgeblich, auch die Leichtigkeit, die die Romantisierung dieses besonderen Sommers in der Kleinstadt in Teil 1 noch mit sich brachte, ist fast vollends passé. War doch einst z.B. die Hütte im Wald ein Zufluchtsort für die Mädchen, so ist sie nun ein Symbol für alles, was hätte sein können, aber ihnen entrissen wurde.

 

Was einst ein zu Hause für wilde Herzen war, hält Erinnerungen an Traumata und Angst, welche es zusammen zu überwinden gilt, wie etwa als man Autumn in einer Sequenz durch eine Panikattacke begleitet. Der rätselhaften „Abyss“, welcher die Mädchen – allen voran Kat, besonders zu faszinieren scheint, wirkte erst rätselhaft und anziehend, dann bedrohlich, dann irgendwie versöhnlich. Er eint die Freundinnen in etwas, was einem bis zum Ende nicht ganz klar wird, aber dann irgendwie doch. So richtig aufgelöst wird das Mysterium um ihn nicht. Im Gegenteil, in einer After-Credit-Scene scheint es sogar eher so, als wäre die Geschichte hier doch noch nicht zu Ende (?!).

Ein Wasserturm mit Geweih in Lost Records: Bloom & Rage von DON'T NOD Montréal
The roof, the roof, the roof is on Fire.

Am Ende liefert Tape 2 von Lost Records weniger aktives Gameplay als sein Vorgänger, dafür sind die spielbaren Passagen aber abwechslungsreicher gestaltet und die Geschichte fesselt einen deutlich mehr durch die nahezu komplette Kehrtwende von Tape 1 zu Tape 2. Der Einsatz des Camcorders wird etwas erweitert, was angenehm ist, aber auch notwendig, da man fast alle Memoire Aufnahmen bereits in Tape 1 abschließen kann und das Gerät somit gefühlt quasi überflüssig wird (außer man macht sich die Mühe zusätzliche Aufnahmen zu filmen, um seine Memoir-Aufnahmen zu bearbeiten und zu schneiden...NUN.)

"Am Ende liefert Tape 2 von Lost Records weniger aktives Gameplay als sein Vorgänger, dafür sind die spielbaren Passagen aber abwechslungsreicher gestaltet und die Geschichte fesselt einen deutlich mehr durch die nahezu komplette Kehrtwende von Tape 1 zu Tape 2."

Ob ich mir einen größeren Knall am Ende gewünscht habe? Vielleicht ja. Wäre da meiner Meinung nach noch mehr erzählerische Luft nach oben gewesen? Vielleicht ja. Hat mich MEIN Ende des Spiels (es gibt mehrere) enttäuscht? Neee. Aber eben auch nicht umgehauen. Letzten Endes macht aber auch das alles Sinn - warum wird hier allerdings nicht verraten. Genau so wenig wie was IN DER VERDAMMTEN BOX IST!

 

Sorry, Leute. Spielt das Spiel!

Wertung zu Lost Records: Bloom & Rage von DON'T NOD Montréal
4 von 5 Videotapes.