Kunitsu-Gami: Path of the Goddess

   Von Miggi

Titelbild zu Kunitsu-Gami: Path of the Goddess von Capcom

Ihr kennt bestimmt diese "Früher war alles besser"-Menschen, oder? Also keine Sorge, ich werde hier jetzt weder ein Referat halten, warum früher wirklich alles besser war, noch diese Aussage ausschlachten und durch den Dreck ziehen. Ich bin da eher im Team "Früher war vieles anders und oft auch um einiges experimenteller". Wenn man sich dann aktuelle AAA-Games und große Studios bzw. Publisher ansieht, erkennt man relativ schnell Trends und es wird tendenziell seltener, dass Risikos mit neuen IPs oder Gameplay-Konzepten eingegangen werden. Durch den aktuellen Status in der Gaming-Branche, ergibt das zum einen zwar Sinn, trotzdem freue ich mich immer wieder und dann auch umso mehr, wenn jemand wie Capcom ihrer quirky Seite freien Lauf lässt und einfach mal etwas macht, womit niemand rechnet. Natürlich bringt das nächste Resident Evil Remake oder ein neuer Ableger einer bekannten Serie ziemlich sicher mehr Erfolg und damit Profit, als eine neue IP. Aber es wäre extrem schade, wenn wir dadurch nie ein Viewtiful Joe, Ōkami oder eben auch Kunitsu-Gami: Path of the Goddess bekommen hätten.

Im tief in der japanischen Mythologie verankerten Spiel liegt es an euch und der Maid Yoshiro den Berg Kafuku von der bedrohlichen Entweihung zu säubern. Diese schwarze Substanz hat sich über den gesamten Berg gelegt, die Bewohner*innen gefangen bzw. in Kokons eingesperrt und die über den Berg verteilten Torii-Tore befallen, aus denen nun die Verdammten strömen. Als Yoshiros Wächter Soh begleitet und beschützt ihr sie, auf dem Weg durch verschiedene Dörfer und Ansiedlungen, in denen ihr euch mit den geretteten Bewohner*innen zusammentut und versucht die gestohlenen 12 Masken, die die Kraft der Göttin innehaben, zurückzuholen, um letztendlich den gesamten Berg zu bereinigen und die Entweihung zu zerstören. Die Story hat dabei nicht wirklich Twists oder Überraschungen zu bieten, die Reise über den Berg selbst hält einen als Spieler*in aber sehr gut bei Laune und bietet ein perfektes Fundament für das Setting und vor allem das Gameplay.

Soh stellt sich schützend vor die Maid Yoshiro in Kunitsu-Gami: Path of the Goddess von Capcom
Don't talk to me or my Maid ever again!

Und was eben genau dieses Gameplay angeht muss man in Kunitsu-Gami: Path of the Goddess etwas weiter ausholen. Denn wenn man jetzt sagen würde, dass es sich hier um einen Hack and Slay Tower Defense Base Builder handelt, dann wäre daran zwar nichts falsch, so richtig vorstellen könnt ihr euch jetzt aber vermutlich nicht, wie es sich dann spielt. Fangen wir mit dem Tower Defense-Part an: eure Reise über den Berg wird abgebildet durch einzelne Levels, die ihr über eine Karte auswählt. In einem davon angekommen, müsst ihr während des Tag- und Nacht-Wechsels eure Verteidigungen aufbauen, während die Maid Yoshiro versucht zum Torii zu kommen, der am Ende jedes Levels liegt. Wird dieser erreicht, endet das Level und ihr könnt weiterziehen. Dafür folgt sie einem fest vorgegebenen Pfad über die Map, den ihr mit Energie-Punkten freischaltet, die ihr entweder hierfür, Verteidigungsbauten oder Einheiten ausgeben könnt und die ihr durch die Reinigung der Welt oder das Besiegen von Gegnern erhaltet.

 

Diese Einheiten spawnen aber nicht einfach aus der Luft. Ihr startet also jedes Level erst einmal damit, die Bewohner*innen des Dorfes zu befreien, genügend Energie zu sammeln und könnt ihnen dann bestimmte Rollen wie etwa Bogenschütze, Heiler oder Axtkämpfer zuweisen, damit sie euch im Kampf unterstützen. Wird es Nacht kommen aus den Toren nämlich die Verdammten, angelehnt an verschiedene Yōkai der japanischen Mythologie, die sich Yoshiro schnappen wollen. Verliert eure Maid zu viele HP, seid ihr gescheitert und müsst das Level noch einmal von vorne starten. Im Laufe der Story erhaltet ihr durch das Sammeln der 12 Masken immer mehr Rollen für eure Helfer*innen und müsst am Ende genau überlegen, wie viele Einheiten mit welcher Rolle ihr wo hinstellt, um vor lauter Gegnern nicht unterzugehen. Und obwohl ich oft schon nicht der größte Fan von Tower Defense-Elementen in Spielen war, hat das für mich hier wunderbar funktioniert. Vielleicht weil ich mich auch sehr auf die Bogenschützen eingeschossen habe (Pun intended) und vieles selbst im Nahkampf erledigen bzw. aktiv eingreifen konnte.

Die Verdammten strömen aus einem Torii in Kunitsu-Gami: Path of the Goddess von Capcom
Also ich hab die nicht zur Party eingeladen. Echt nicht!

Denn neben euren Einheiten, die ihr zu jedem Zeitpunkt frei über die Map bewegen könnt, habt ihr als Soh die Möglichkeit euer Katana zu ziehen und selbst ins Kampfgeschehen einzusteigen. Was Hack and Slay angeht, sollte Capcom ja eigentlich wissen, was sie tun und ja, das wissen sie tatsächlich. Das selber kämpfen hat mir richtig viel Spaß gemacht und ich stand in jedem Level direkt in erster Reihe, sobald eine neue Welle an Verdammten aus ihren Toren gekrochen kam. Neben den regulären Feinden bzw. Stages gibt es außerdem noch spezielle Bosskämpfe, in denen ihr es mit noch gefährlicheren Monstern zu tun bekommt und teilweise auch bestimmte Aufgaben im Kampf erledigen müsst und vor allem der letzte Bosskampf hat mich nicht nur extrem gefordert, sowohl in der Auswahl der Einheiten, als auch meinen eigenen Kampfkünsten, sondern mir auch verdammt viel Spaß gemacht.

 

Das lag aber auch daran, dass die Levels selbst, abseits von Bosskämpfen und Gegnern wahnsinnig abwechslungsreich sind. In gefühlt jeder Mission kommt Kunitsu-Gami mit neuen Mechaniken um die Ecke, bringt euch dazu eure Taktiken noch einmal umzudenken und fordert euch stets neu heraus. Mal seid ihr in einer dunklen Höhle und müsst euch darum kümmern, genug Licht zu haben, dann fahrt ihr mit einem Boot über einen See und müsst darauf achten, dass es nicht untergeht und im nächsten Moment seid ihr auf einer Karte, deren Pfad für Yoshiro sich mehrmals aufteilt und euch entscheiden lässt, welchen Weg ihr gehen wollt. Um euch das Leben im Kampf etwas leichter zu machen, könnt ihr im ganzen Spiel verteilt Talismane finden, die euch verschiedene Buffs und Boni geben. Diese erhaltet ihr etwa, wenn ihr in einem Level alle Quellen der Entweihung entfernt oder, wenn ihr bestimmte Bedingungen in den Missionen erfüllt, wie z.B. dass Yoshiro kein einziges Mal von einem Gegner getroffen wird.

Eine Hütte in einem Bambuswald in Kunitsu-Gami: Path of the Goddess von Capcom
Also ich würde hier sofort einziehen. Entweihung hin oder her.

Anlegen könnt ihr diese Talismane in eurem Reisezelt, zu dem ihr jederzeit Zugang habt und genau da kommt dann auch der Base Building-Aspekt mit ins Spiel. Habt ihr ein Level nämlich erst einmal von der Entweihung bereinigt, könnt ihr danach dorthin zurückkehren und gemeinsam mit den Dorfbewohner*innen alles was zerstört wurde wieder aufbauen. Dazu teilt ihr ihnen Aufgaben zu, die jeweils eine bestimmte Dauer an Tagen haben und die vergehen, wenn ihr ein weiteres Level spielt. Während ihr also auf der nächsten Ansiedlung für Ordnung sorgt, bauen eure ehemaligen Mitstreiter ihre Siedlungen wieder auf und auch dafür erhaltet ihr jeweils Belohnungen wie Talismane, Concept Art, 3D Modelle der verschiedenen Spielfiguren oder - und das ist das Allerbeste - traditionelle japanische Desserts. Diese könnt ihr dann entweder auch genau betrachten oder sie Yoshiro kredenzen.

 

Die große Frage ist jetzt natürlich, ob sich irgendetwas davon seltsam angefühlt hat oder irgendwie fehl am Platz war. Aber das kann man sehr leicht mit "Nein" beantworten. Jedes der einzelnen Gameplay-Elemente fügt sich perfekt in das Gesamtbild von Kunitsu-Gami: Path of the Goddess und ich könnte nicht wirklich sagen, was mir davon am meisten Spaß gemacht hat. Anfangs dachte ich, ich würde bestimmt den Hack and Slay-Teil an erste Stelle reihen, dafür hatte ich dann aber viel zu viel Spaß beim Platzieren und Planen meiner Einheiten und der generellen taktischen Komponente und auch das Wiederaufbauen der Dörfer hat mich sehr viel mehr gefesselt, als ich es selbst gedacht hätte. Die verschiedenen Zahnräder greifen hier perfekt ineinander und selbst wenn ihr einem der Aspekte etwas skeptisch gegenüber stehen solltet, lohnt es sich mal einen Blick zu riskieren, eine kostenlose Demo ist für alle Plattformen verfügbar.

Yoshiro und die Dorfbewohner*innen feiern vor einem Torii in Kunitsu-Gami: Path of the Goddess von Capcom
Feste soll man feiern, wie sie fallen.

Einen großen Teil zum Spielspaß trägt aber auch das einzigartige Art Design bzw. die Optik des Titels bei. Ich liebe es, dass sich Capcom hier komplett in die Thematik reingelehnt hat und so viele verschiedene Details der japanischen Mythologie, Geschichte und generell der Kultur in dieses Spiel mit einfließen hat lassen. Egal ob ihr tagsüber oder nachts unterwegs seid und egal in welchem Areal, das Spiel sieht zu jedem Zeitpunkt richtig gut aus und glänzt durch die wunderschöne Art Direction. Gleichzeitig macht die RE Engine ihren Job wieder einmal perfekt, ich hatte keinerlei Abstürze oder andere technische Probleme und die Performance war trotz Gegnerhorden und Effekten zu jedem Zeitpunkt stabil. Sogar beim Soundtrack haben traditionelle Instrumente wie etwa Taiko Trommeln Verwendung gefunden und allein für den Theme Song lohnt es sich definitiv in den Soundtrack reinzuhören, auch wen ihr das Spiel selbst nicht spielen wollt.

"Kunitsu-Gami: Path of the Goddess ist nicht nur ein ganz besonderes Spielerlebnis, das sich aus mehreren Genres Inspirationen zieht, es schafft damit einen komplett neuen Mix, der mir noch sehr lange im Gedächtnis bleiben wird."

Mittlerweile ist meine Erwartungshaltung bei Capcom echt ganz schön gestiegen. Durch die letzten Jahre voll mit Top-Releases und quasi keinen Reinfällen hat sich die japanische Firma einen Status erarbeitet, den in meinen Augen kaum ein anderer Publisher oder Entwickler so für sich beanspruchen kann. Wenn dann abseits großer Titel wie Resident Evil oder Monster Hunter eine komplett neue IP angekündigt wird, ist man zwar nicht unbedingt skeptisch, was die Qualität angeht, aber doch neugierig, was da jetzt auf einen zukommt. In diesem Fall wurde ich mehr als positiv überrascht. Kunitsu-Gami: Path of the Goddess ist nicht nur ein ganz besonderes Spielerlebnis, das sich aus mehreren Genres Inspirationen zieht, es schafft damit einen komplett neuen Mix, der mir noch sehr lange im Gedächtnis bleiben wird. In gefühlt jedem Level habe ich mich über neue Gameplay-Elemente gefreut, die das Spiel mir entgegen geworfen hat und auch optisch ist Kunitsu-Gami ein ganz besonderes Erlebnis. Auch wenn es sich hier also nicht um den Big Seller von Capcom handelt, solltet ihr dem Spiel auf jeden Fall mal eine Chance geben. Entweder in Form der Demo oder direkt im Xbox Game Pass. In einem nicht so vollen Jahr, in dem nicht gerade S.T.A.L.K.E.R. 2 oder Metaphor: ReFantazio erschienen wären, hätte der Titel auf jeden Fall große Chancen gehabt, mein persönliches GOTY zu werden.

Wertung zu Kunitsu-Gami: Path of the Goddess von Capcom
5 von 5 Yoshiros.