Dying Light 2: Stay Human

   Von Miggi

Es fühlt sich an, als wär es gestern gewesen, dass ich auf der gamescom die ersten Bewegtbilder zu Dying Light 2: Stay Human zu sehen bekommen habe. Ok nein, das ist Quatsch, den man nur so sagt. Eigentlich fühlt es sich an, als wäre es eine halbe Ewigkeit her. 2019 war die Welt noch unbeschwerter und wir konnten noch auf dem Kölner Messegeländer lachend durch die mit Menschenmassen gefüllten Hallen ziehen. Ungefähr so denke ich fühlen sich auch die Überlebenden im Dying Light-Universum. Naja gut, bei uns gibt es zumindest keine Zombie-Apokalypse, die uns das Leben noch schwerer macht, aber ich glaube die aktuelle Situation ist (hoffentlich zumindest) das ähnlichste Szenario, das wir mit der Spielwelt gemeinsam haben werden. Und Parkour müssen wir zum Glück auch weniger machen.

Nach den Ereignissen des ersten Teils, in denen der Harran Virus, auch THV genannt, Menschen in Zombies verwandelt hat, entstand 2021 eine mutierte Variante des Virus, das sich über die ganze Welt verbreitet hat. Gegen diese neue Variante waren jegliche Impfungen und Medikamente nutzlos, bisher konnte nur UV-Licht gegen den Virus als nützliches "Gegenmittel" gefunden werden. Die Handlung des zweiten Teils setzt ganze 15 Jahre später ein. Im Jahr 2036 gilt die fiktiven europäische Stadt Villedor als letzte Bastion der Menschheit, in der drei Fraktionen sich die Kontrolle teilen. Und genau in diese zieht es unseren Protagonist Aiden Caldwall, auf der Suche nach seiner Schwester Mia. Aiden ist seines Zeichens Pilger, eine Gruppe weniger mutiger Menschen, die von Siedlung zu Siedlung reisen.

Protagonist Aiden greift nach einer Bierflasche in Dying Light 2: Stay Human von Techland.
Zum Glück gibt es in der Zombie-Apokalypse immerhin noch Bier.

Und da muss man auch gleich mal das größte Manko an Dying Light 2: Stay Human erwähnen: die Hauptstory. Das Motiv "Bruder will Schwester finden" ist ja schon mal etwas lahm, das Problem ist nur - auch im Verlauf des Spiels wird dieses Motiv nicht wirklich spannender. Immer wieder sehen wir in Flashbacks die beiden Geschwister in einer Forschungseinrichtung der GRE (Global Relief Effort), die an einer Heilung geforscht haben, die irgendwann in Flammen aufging und seitdem ist Aiden auf der Suche nach seiner Schwester. Das Problem ist nur - wir haben erstens keine emotionale Bindung zu ihr und zweitens wird diese auch nie wirklich aufgebaut. Am Ende hatte ich zu jedem anderen wichtigen NPC eine größere Verbindung, als zur Schwester. Dazu muss man aber wiederum sagen, dass jede Mission - auch Nebenmissionen, die teilweise echt schnell vorbei sein können - einen besseren Handlungsstrang hat, als die eigentliche Main-Story und ich damit über die Spieldauer echt immer wieder sehr gut unterhalten wurde. Ach und keine Sorge, die viel diskutierten 500 Stunden, die man für das Spiel aufbringen kann, hatte ich am Ende, mit circa 50 Spielstunden auf der Uhr, bei weitem nicht.

 

Generell ist das Worldbuilding in zweiten Teil vom Zombie-Parkour-Adventure wahnsinnig gut gelungen. Die Welt fühlt sich - und das ist inmitten der Zombie-Massen irgendwie umso lustiger - richtig lebendig an und selbst die klitzekleinsten Nebenmissionen, die man finden kann, haben teilweise so gute Twists, die ein menschliches Bild auf die Bevölkerung der Stadt werfen. Während man sich durch die Story spielt kommt es außerdem immer wieder zu Entscheidungen, die die Welt beeinflussen und anders als in vielen vielen Spielen, die diesen Trick in der Vergangenheit schon abgezogen haben, fühlt es sich hier nicht so an, als würde jede Entscheidung im Grunde zum selben Ziel führen. Irgendwie hat es das polnische Studio Techland geschafft, dass sich die Taten im Spiel so anfühlen, als hätten sie stets Konsequenzen. Seine es nun die Gebäude, die man entweder den Peacekeepern oder den Survivors zuweisen kann, was auch verschiedene Boni mit sich bringt, oder grundlegende Taten, während verschiedener Missionen.

Bandit steht über der Stadt Villedor in Dying Light 2: Stay Human von Techland.
Es liegt an euch, ob die Stadt Villedor im Chaos versinkt, oder ...für die Überlebenden wieder zu einem sichereren Ort wird.

Das Laufen, Springen und später auch Gleiten haben mich in Dying Light 2 am meisten in den Bann gezogen. Hat es anfangs noch etwas Eingewöhnungszeit gebraucht, in der ich öfter als mir lieb war mit der Fresse den Beton weit unter mir geküsst habe, bin ich ein paar Stunden später schon über die Dächer der Stadt ge-parkour-t, als hätte ich nie etwas anderes gemacht. Das Movement im Spiel ist so unfassbar spaßig und wird in diversen Time Trial-Challenges noch zusätzlich auf die Probe gestellt. Nach und nach schaltet ihr außerdem immer mehr Fähigkeiten frei, die euch das Leben noch leichter machen. So könnt ihr entweder weiter springen, sprinten oder von höheren Dächern springen, ohne Schaden zu nehmen. Die Erfahrungspunkte dafür sammelt ihr ganz einfach indem ihr eure schon gelernten Moves nutzt und aneinanderreiht oder indem ihr Aufgaben in der Welt abschließt. Diese Erfahrungspunkte sind wiederum aufgeteilt in zwei separate Skill-Trees: Movement und Kampf.

 

Denn selbst, wenn ihr den Zombies noch so gut aus dem Weg geht, irgendwann wird es entweder Nacht und die Untoten überschwemmen die Straßen regelrecht oder ihr müsst ein Versteck infiltrieren und gegen menschliche Gegner*innen kämpfen. Und auch hier ging es mir so, dass ich im ersten Moment etwas verwirrt war vom hauptsächlich nahkampfbasierten Kämpfen, nach ein bisschen Zeit hat aber auch das sehr sehr viel Spaß gemacht. Schusswaffen gibt es in der Welt von Villedor schon eine Weile nicht mehr bzw. nur ganz selten, deshalb müsst ihr auf Waffen zurückgreifen, die immer wieder kaputt gehen und eine der wenigen Fernkampf-Waffen, die ihr im Spielverlauf freischaltet, ist ein Bogen. Zur Hand bekommt ihr aber auch ein Crafting-System, mit dem ihr neben Medizin und anderen Hilfsmitteln auch Upgrades für eure Waffen basteln könnt. Und wer von euch wollte nicht immer schon einen verstärkten Baseballschläger mit integriertem Flammenwerfer?

Ein Peacekeeper steht vor einer Gruppe Überlebender in Dying Light 2: Stay Human von Techland.
All Peacekeepers are Bastards.

Ich mag es ja sehr gerne, wenn Spiele komplett aus der Ego-Perspektive erzählt werden. Noch besser funktioniert das natürlich, wenn das Spiel dann auch noch gut aussieht. Und das tut Dying Light 2: Stay Human auf jeden Fall. Schon im Performance Modus auf den neuen Konsolen und dem PC, in dem das Spiel zwar nur in 1080p, dafür aber mit 60 Frames läuft, ist das Spiel sehr sehr hübsch. Wer es gerne noch schicker möchte, kann auf Xbox Series X und PlayStation 5 entweder die Auflösung hochschrauben, oder Raytracing anmachen. So oder so fand ich das Spiel echt sehr schön, die Umgebungen sind mit viel Details gespickt und was natürlich an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben darf - die Zombie-Designs sind schön eklig und der Gruselfaktor kommt hier vor allem in den dunkeln Unterschlüpfen nicht zu kurz. Und wer sich der Apokalypse nicht alleine stellen will, kann das wahlweise auch online mit bis zu drei Mitspieler*innen tun. Dabei behalten alle ihren persönlichen Charakter-Progress und Items, falls ihr Missionen spielt, wird der Fortschritt allerdings nur den Hosts zugeschrieben.

"Dying Light 2 ist ein ganz besonderes Spiel, das mich mit vielen Kniffen komplett in die von Zombies überlaufene Stadt Villedor hat eintauchen lassen."

Nach ungefähr sechs Jahren Entwicklungszeit hat es Studio Techland geschafft den ersten Teil, der schon sehr gut war, noch zu toppen. Dying Light 2 ist ein ganz besonderes Spiel, das mich mit vielen Kniffen komplett in die von Zombies überlaufene Stadt Villedor hat eintauchen lassen. Das Movement, als heimlicher Star des Spiels, hat mich immer wieder dazu bewegt (höhö) Umwege zu laufen, nur um meine Skills besser zu trainieren und spätestens als ich dann den Gleiter bekommen hatte, war kein Dach mehr sicher vor mir. Und auch das Kampfsystem und die Welt haben es mir total angetan. Es gibt wenig, was so befriedigend ist, wie einen Banditen mit Dropkick vom Dach fliegen zu lassen. Wäre die eigentliche Hauptstory noch etwas stärker, wäre ich rundum glücklich. Aber wenn man das mit der Schwester einfach ignoriert, kann man in der Welt von Dying Light 2: Stay Human, mit allen Figuren und Geschichten eine unfassbar schöne und spaßige Zeit haben.

Wertung zu Dying Light 2 von Techland.
4,5 von 5 Volatiles.