Von Miggi
Bayonetta hat mich 2010 komplett kalt erwischt. Ein Bekannter hat mir bereits im Vorfeld mit Begeisterung von dem neuen Titel erzählt und mir versichert, dass ich dieses Spiel lieben werde. Es sei so abgefahren, so etwas habe er noch nie gesehen. Damals leistete ich gerade meinen Zivildienst in einem Altersheim. Seine Wohnung lag quasi direkt auf meinem Heimweg und so habe ich nach getaner Arbeit einen kleinen Abstecher bei ihm gemacht, um mir das Spiel auszuleihen. Was genau mich erwarten würde, wusste ich bis dahin absolut nicht. Zuhause angekommen legte ich die Disc in meine Xbox 360 ein und traute meinen Augen nicht. Ich kannte natürlich Spiele wie Devil May Cry, aber Bayonetta trieb das Konzept der Capcom-Spielereihe noch einmal weiter auf die Spitze. Und das ganze dann auch noch mit einer weiblichen Protagonistin. Sollte es Liebe auf den ersten Blick mit Videospielen geben, war es hier der Fall.
Als durch verschiedene Twitter-Teaser und Hinweise Gerüchte laut wurden, dass Bayonetta und auch der Nachfolger für die Nintendo Switch erscheinen sollen, war ich sofort Feuer und Flamme. Ich erinnerte mich an die schöne Zeit, die mir das Spiel damals beschert hatte aber dachte auch daran, dass ich den WiiU-Port ausgelassen hatte. Ich war nie sonderlich warm geworden mit Nintendos Wii-Nachfolger. Der Switch-Release war dafür umso schöner, nachdem sich die Hybrid-Konsole bereits nach einigen Monaten auf dem Markt in mein Herz gespielt hatte. Bei den Games Awards 2017 in Los Angeles war es dann soweit und neben der gefeierten Ankündigung, dass Bayonetta 3 gerade von Platinum Games entwickelt wird und exklusiv für Nintendo Switch erscheinen wird, gab man auch bekannt, dass Teil 1 und 2 ab Februar 2018 dafür erhältlich sein werden. Ein guter Tag für Bayonetta-Fans. Ein guter Tag für mich. Zeit sich wieder die Pistolen an die Füße zu schnallen.
Die Handlung des Spiels ist ähnlich verrückt, wie die allgemeine Aufmachung: Ihr steuert die Umbra-Hexe Bayonetta, die vor 20 Jahren auf dem Grund eines Sees aufgewacht ist und keinerlei Erinnerungen mehr an ihre Vergangenheit besitzt. In ihrer Haut macht ihr euch auf die Suche nach dem Rechten Auge der Augen der Welt, durch das Bayonetta ihre Amnesie rückgängig machen möchte. Auf eurem Weg durch die Stadt Vigrid trefft ihr auf allerlei scheußliche Kreaturen. Das Besondere an den Gegnern ist allerdings, dass ihr es nicht mit Monstern per se zu tun habt, sondern gegen Engel und andere "himmlische" Kreaturen kämpfen müsst. Den ersten großen Bossfight bestreitet ihr zum Beispiel gegen Fortitudo, den Kardinal der Tapferkeit und seines Zeichens einer von vier Kardinaltugenden. Auf der Suche nach eurer Vergangenheit begegnet ihr weiteren seltsamen Gestalten, wie der Hexe Jeanne, einen Mann namens Luka, der euch für den Tod seines Vaters verantwortlich macht und einem kleinen Mädchen, das euch wahnsinnig ähnlich sieht.
Auch das Charakter- und Leveldesign ist dementsprechend ausgefallen. Bayonetta selbst trägt einen hautengen Anzug - das besondere daran ist, dass dieser aber komplett aus ihren Haaren besteht. Die Gegner und vor allem aber die Bosse lassen eure Kinnlade oft herunterklappen. Der eben erwähnte Fortitudo ist ein riesiges Gesicht, das auf den Kopf gestellt wurde und zusätzlich mit zwei Drachenköpfen, Füßen und Flügeln ausgestattet wurde. In der WiiU- und der Nintendo Switch-Version gibt es für die Umbra-Hexe zusätzlich vier Nintendo-Kostüme: Prinzessin Peach, Prinzessin Daisy, Link und Samus Aran. Aber auch die kleineren Gegner müssen sich nicht verstecken und sind sehr ausgiebig designt. Die Welt selbst ist eine Mischung aus Futurismus und eher älteren Umgebungen, die sich als sehr stimmungsvoll erweist. Die verschiedenen Gebiete sind unterschiedlich genug gestaltet um nicht zu trostlos und repetitiv zu wirken und diverse Ausflüge in Paralleldimensionen wie Paradiso bringen zwischendurch zusätzliche Abwechslung in die Spielwelt.
Wer Devil May Cry gespielt hat, wird sich in Bayonetta sehr gut zurecht finden, denn die Steuerung und das Gameplay sind bei beiden Spielen sehr nah beieinander. Das liegt natürlich auch daran, dass Direktor beider Spiele Hideki Kamiya ist, der sich auch für Spiele wie Resident Evil, Viewtiful Joe und Ōkami verantwortlich zeichnet. Ihr bewegt euch schnell durch eine dystopische Welt und habt immer wieder Kämpfe zu bestreiten. In diesen nutzt ihr entweder eure Hexenkräfte und im späteren Spielverlauf auch Nahkampfwaffen oder vier Pistolen - später unter anderem ergänzt durch Schroftflinten. Zwei davon hält die Protagonistin in ihren Händen, zwei weitere sind an ihren Füßen befestigt. Weicht ihr zudem im richtigen Moment aus, aktiviert sich für kurze Zeit die Witch Time, in der die Zeit kurz stehen bleibt, ihr euch aber weiter normal bewegen und eure Gegner vermöbeln könnt.
Das Kampfsystem ist im Kern komplett auf verrückte Kombos ausgelegt. Je weniger ihr getroffen werdet, je schneller ihr eure Kämpfe bestreitet und je höher ihr euren Kombozähler treibt, desto besser ist die Bewertung, die ihr am Ende des Kampfes bekommt. Dies äußert sich in einer Platin-, Gold-, Silber- oder Bronze-Medaille. Pro Kapitel werden eure Wertungen addiert, mit der Anzahl der benutzten Items und der verbrauchten Leben aufgerechnet und ihr erhaltet eine Trophäe. Habt ihr zuviele Items benutzt oder seid zu oft gestorben, erhaltet ihr nur eine steinerne Trophäe. Und sterben werdet ihr bestimmt das ein oder andere Mal - der Schwierigkeitsgrad von Bayonetta ist vor allem in späteren Kapiteln und Kämpfen sehr hoch und passt ihr einmal nicht gut genug auf, verliert ihr schnell einen großen Teil eurer Gesundheitsleiste. Am Ende des Kapitels schlussendlich mit der Platin-Trophäe dazustehen, fällt also absolut nicht leicht. Wer sich das Spiel etwas leichter machen möchte, kann sich in einem Shop mit gesammelten Heiligenscheinen neue Kampfmanöver aber auch Hilfsitems kaufen. Eines davon erleichtert euch zum Beispiel das aktivieren der Witch Time.
Technisch gibt es an der Switch-Version von Bayonetta absolut nichts auszusetzen. Das Spiel läuft im Gegensatz zum ursrpünglichen Spiel und auch der WiiU-Version konstant mit 60 Frames pro Sekunde bzw. 30 Frames während den Zwischensequenzen. Auch im Handheld-Modus sind mir dabei keine groben Schnitzer aufgefallen. Lediglich in einer Situation geriet das Spiel bei mir kurz ins Ruckeln, lustigerweise aber nicht während eines Kampfes, sondern in einem Gebiet in dem außer der Spielfigur gerade nichts anderes außer der Umgebung am Bildschirm zu sehen war. Während den Kämpfen habe ich keine Framerate-Drops bemerkt und auch grafisch kann sich das Spiel immer noch gut sehen lassen, obwohl es in Europa schon 2010 auf den Markt kam. Auch die Spielzeit ist mehr als ausreichend - nach 16 Kapiteln und insgesamt 15 bis 20 Stunden Spielzeit habt ihr immer noch die Möglichkeit alle Waffen und andere versteckte Items freizuschalten und natürlich eure Wertung in den einzelnen Kapiteln zu verbessern. Wer sich überall die Platin-Trophäe sichern möchte, braucht dabei sicher einiges an Zeit und Geduld.
"Dass Bayonetta schon beim ursprünglichen Release fast ausschließlich positives Feedback von Kritikern erhalten hat, kommt nicht von ungefähr. Das ändert sich auch beim aktuellen Switch-Port nicht, es ist im Gegenteil eine sehr schöne Gelegenheit diesen Klassiker wieder einmal einzulegen oder eventuell sogar komplett neu zu erleben."
Bayonetta hat vielleicht keine revolutionären Ideen in das Action-Genre gebracht, aber dafür treibt das Spiel von Platinum Games bisher Bewährtes auf die Spitze und macht dabei kaum etwas bis nichts falsch. Die Action läuft flüssig, kleine sowie große Kämpfe sind stets spannend, der Schwierigkeitsgrad knackig aber nicht unmöglich und auch die Geschichte fesselt bis zum Ende vor die Konsole. Dass Bayonetta schon beim ursprünglichen Release fast ausschließlich positives Feedback von Kritikern erhalten hat, kommt nicht von ungefähr. Das ändert sich auch beim aktuellen Switch-Port nicht, es ist im Gegenteil eine sehr schöne Gelegenheit diesen Klassiker wieder einmal einzulegen oder eventuell sogar komplett neu zu erleben. Bayonetta läuft aber auch auf den älteren Platformen gut und macht immer noch Spaß. Lediglich um die Playstation 3-Version solltet ihr einen Bogen machen, da diese technisch nicht an die Xbox 360 und natürlich bei weitem nicht an neuere Umsetzungen heranreichen kann.