Von Miggi
Ich gebe es zu - bis letztes Jahr konnte ich mit der Assassin's Creed-Reihe recht wenig anfangen. Assassin's Creed Origins (den Test dazu findet ihr hier) hat dann aber alles verändert. Das angepasste Kampfsystem, der begonnene Wandel in Richtung RPG, die offene Welt mit einem Setting, das mir sehr zugesagt hat - plötzlich war ich Fan. Ich habe unglaublich viel Zeit in das Spiel investiert, optionale Aufgaben erfüllt, Endgame-Content genossen und wurde zum Anhänger der Reihe. Die remastered Version von Assassin's Creed Rogue habe ich mir dann auch zu Gemüte geführt und sogar die konnte mich überzeugen, auch wenn sie noch eher der "alten" Formel folgte. Eventuell hat Bea doch nicht gelogen, als sie mir von der Serie vorgeschwärmt hat. Als Assassin's Creed Odyssey dann auf der E3 2018, nach einem Leak im Mai, offiziell angekündigt wurde war ich gehypt. Sollte das Spiel nur annähernd an Origins rankommen, würde es ein heißer Kandidat auf mein persönliches Game of the Year sein. Oder zumindest locker in meinen Top 3 landen.
Das Setting von Assassin's Creed Odyssey selbst war auf jeden Fall wieder vielversprechend. Ich hatte schon seit meiner frühesten Jugend ein Faible für die griechische Geschichte und Mythologie. Und auch als geographischer Schauplatz war Griechenland noch einmal ein bisschen interessanter für mich als Ägypten. Die mediterrane Umgebung des griechischen Festlands und der umliegenden Inseln mit Wäldern, Bergen, dem Meer und sogar Vulkanen gibt alleine schon Landschaftstechnisch unglaublich viel her, der Fakt dass sich Ubisoft bei der Gestaltung der Umgebung und generell der ganzen Spielwelt auch noch unglaublich viel Mühe gegeben hat, tut dabei nur sein Übriges.
Die Geschichte startet ihr aber nicht direkt in der Haut der Hauptfigur. Anfangs durchlebt ihr erst noch den Kampf der Spartaner gegen den persischen König Xerxes bzw. seine Armee und zwar aus der Sicht von Leonidas. Nachdem ihr diese Schlacht durchlebt habt dürft ihr in euer eigenes Abenteuer starten. Und da gibt es auch gleich die erste große Neuerung - erstmals in der Spielereihe dürft ihr vor dem Abenteuer das Geschlecht eures Charakters festlegen. Dementsprechend verändert sich dann die Geschichte leicht und anders als noch bei Assassin's Creed Syndicate richten sich die Skills nicht nach eurem Geschlecht. Kassandra steht Alexios in nichts nach und damit geht Ubisoft einen Schritt, der meiner Meinung nach schon lange überfällig war. Ich startete also schon mit einer sehr positiven Grundeinstellung in meine eigene Odyssee.
Die Geschichte beginnt auf der relativ kleinen und etwas abgelegenen Insel Kefalonia. Dort lernt ihr den Charakter eurer Wahl und einige weitere NPCs kennen und erlebt das obligatorische Tutorial. Relativ bald nimmt die Geschichte aber Fahrt auf und ihr brecht auf der Suche nach euren spartanischen Wurzeln in Richtung Phokis auf. Nach und nach eröffnet sich euch so nicht nur die riesige Spielwelt, sondern auch verschiedene Handlungsstränge der Story, die es aufzulösen gibt. Damit seid ihr dann auch lange genug beschäftigt - um wirklich alle Hauptmissionen abzuschließen habe ich knapp über 60h gebraucht, wobei ich auch immer wieder Nebenmissionen gemacht habe bzw. machen musste. Da spätere Story-Missionen erst mit einem gewissen Level zu bewältigen sind, müsst ihr zwischendurch immer wieder andere Aufgaben erfüllen, um eure Figur aufzuleveln.
Und genau dieses Levelsystem wurde in Assassin's Creed Odyssey noch einmal verfeinert im Vergleich zum direkten Vorgänger. Ihr müsst eure passiven und aktiven Fähigkeiten weise wählen und sie eurer Spielweise anpassen, um nicht am Ende festzustellen, dass ihr gerne eine bestimmte Fähigkeit noch euer Eigen nennen würdet. Gleichzeitig dürft ihr eure Heldin oder euren Held wieder mit allerlei Waffen und Ausrüstungsgegenständen ausstatten, die ihr in der Spielwelt zuhauf findet. Jeder Gegenstand hat dabei nicht nur einen eigenen Level, sondern auch bestimmte Fähigkeiten, die ihr wiederum eurem Spielstil passend tragen solltet. Außerdem werden sie eingeteilt in normale, seltene, legendäre und epische Objekte. Beim Schmied habt ihr die Möglichkeit eurer Ausrüstung noch zusätzliche Boni zu verleihen und sie selbst aufzuleveln. Habt ihr also beispielsweise einen epischen Helm, der aber einige Level unter eurem eigenen ist, könnt ihr gegen ein wenig Drachmae und Crafting-Material den Level des Helms und somit auch seine Werte erhöhen. Und als wäre das nicht genug, könnt bzw. solltet ihr auch euer Schiff aufleveln. Denn auch die Seeschlachten kehren in Odyssey wieder zurück, wenn auch nicht so ausgiebig, wie in Black Flag oder Rogue.
Das Kampfsystem wurde im Vergleich zu Origins auch noch weiter verändert. Mittlerweile erinnert das Kämpfen schon eher an Spiele wie Dark Souls, als an die ursprüngliche Assassin's Creed-Formel. Ihr könnt Gegner anvisieren, weicht gekonnt Attacken aus und kämpft euch mit einer weiten Auswahl an Waffen durch etliche Schlachten. Neben den offenen Kämpfen gibt es aber natürlich auch genug Passagen in denen ihr ungesehen durch Lager, Verstecke oder Forts schleicht, Gegner lautlos ausschaltet und versuchen müsst, nicht den Alarm auszulösen. Das ist im späteren Spielverlauf teilweise wirklich nicht einfach, wenn ihr ein ganzes Fort säubern wollt, in dem dann schnell einmal über 30 Wachen auf euch warten. Dafür dass ihr auf keinen Fall entdeckt werden wollt, sorgt auch das neue Kopfgeld-System. Werdet ihr bei unrechtmäßigen Handlungen erwischt, verfolgt euch schnell einer der verschiedenen Kopfgeldjäger, von denen es im Spiel viele gibt. Je mehr ihr verbrecht, desto mehr davon verfolgen euch. Diese Mischung aus GTAs "Wanted"-Level und den Hauptmännern aus Shadow of Mordor gibt Assassin's Creed Odyssey zusätzliche Brisanz und lässt euch vorsichtiger durch die Welt gehen.
Assassin's Creed Odyssey ist aber nicht nur durch die bereits genannten Punkte mehr zum RPG geworden, als je zuvor - ihr habt diesmal ein komplettes Dialogsystem, in dem ihr bestimmte Entscheidungen selbst treffen könnt und der anderen Figur noch jeweils zusätzliche Infos zu einer Mission oder der Geschichte entlocken könnt. Die Entscheidungen sind dabei teilweise sogar wirklich weitreichend. In meinen Gesprächen mit KollegInnen hat sich herausgestellt, dass das Spiel euch nicht nur vorgaukelt, dass eure Wahl Tragweite hat, sondern, dass einige Entscheidungen wirklich großen Einfluss auf den Ausgang eurer Geschichte haben. In das Spiel integriert hat Ubisoft zusätzlich noch die Möglichkeit mit verschiedenen NPCs in der Welt romantische Beziehungen einzugehen. Ob männlich oder weiblich ist dabei vollkommen nebensächlich, auch ungeachtet dessen, welches Geschlecht eure Spielfigur hat. In der Welt von Odyssey werdet ihr auch immer wieder auf homosexuelle Paare treffen und die GegnerInnen sind nicht ausschließlich Männer. Eine sehr konsequente und wichtige Entscheidung, wie ich finde.
Grafisch sieht der neueste Streich der Reihe wieder atemberaubend aus. Im Vergleich zum letzten Teil hat sich zwar unter der Haube vermutlich nicht allzu viel getan, aber alleine der Wechsel aus der Wüstenlandschaft eines Ägypten ins farbenfrohe Griechenland zeigt, zu welch optischen Höchstformen Assassin's Creed auflaufen kann. Die Weitsicht ist unglaublich hoch, die Texturdetails wunderschön und alle Figuren und Lebewesen in der Welt gliedern sich perfekt in diese Welt ein. Grafische Glitches sind mir persönlich kaum untergekommen, selten sind Objekte aufgepoppt und ein Ruckeln konnte ich so gut wie nie feststellen. Vor allem auf der Xbox One X und der Playstation 4 Pro liefert das Spiel technisch mehr als gut ab, mit beinahe konstanten 30 Frames per Second. Aber auch auf den ursprünglichen Konsolen-Modellen sind Framerate-Stürze nicht häufig und das Spiel sieht immer noch sehr sehr gut aus. Auch hier hat Ubisoft ganze Arbeit geleistet.
Die Geschichte rund um Kassandra und Alexios bietet ein für mich perfektes Gesamtpaket: Wunderschöne Optik, ein Kampfsystem, das nicht nur auf Hack & Slay ausgelegt ist, eine große Welt, die dazu einlädt erkundet zu werden, ein Dialog- und Entscheidungssystem, das euch noch mehr in die Rolle eurer Spielfigur versetzt, eine spannende Geschichte, Nebenquests die nicht in der Bedeutungslosigkeit versinken, ein Skill- und Ausrüstungssystem, mit dem ihr alles so anpassen könnt, wie ihr es gerne möchtet und noch so viel mehr. Der Fakt, dass man auch endlich eine starke Frau als Spielfigur wählen kann und auch in der Spielwelt nicht nur Männer den Ton angeben, lässt mich nur umso zufriedener auf das Spiel zurückblicken. So sollen Spiele 2018 aussehen, in allen Belangen.
"Assassin's Creed Odyssey führt erfolgreich das fort, was man mit Origins begonnen hat und hat sich mit Leichtigkeit in meine Top 3 der besten Videospiele 2018 gekämpft."
Assassin's Creed Odyssey als das beste Assassin's Creed bisher zu bezeichnen fällt mir unglaublich leicht. Es wurde genau an den richtigen Schrauben nachgedreht und man hat die richtigen Elemente in das Spiel eingebaut. Durch die Orientierung in Richtung RPG bietet der neueste Teil weitaus mehr Spieltiefe als die Vorgänger, bleibt frisch und lässt euch in eine Welt eintauchen, die ich zumindest so schnell nicht mehr verlassen wollte. Und das auch nicht getan habe. Nach über 60 Stunden Haupt- und teilweise Nebequestreihen hatte ich immer noch Lust das antike Griechenland zu erkunden, versteckte Gegenstände zu entdecken, Inseln zu bereisen, die ich bisher noch nicht beachtet hatte und und und. Assassin's Creed Odyssey führt erfolgreich das fort, was man mit Origins begonnen hat und hat sich mit Leichtigkeit in meine Top 3 der besten Videospiele 2018 gekämpft.