Von Miggi
19 Jahre ist es jetzt schon her, dass Shadow the Hedgehog sein eigenes Videospiel spendiert bekommen hat, nachdem er in Sonic Adventure 2 und Sonic Heroes sein Debüt gefeiert hat. Damals ist er noch super edgy mit Schusswaffen und Motorrad losgezogen und wer Lust hat, kann sich eines der insgesamt 10 Enden auf unserem YouTube-Kanal in Let's Play-Form ansehen. Seitdem ist aber nicht nur im Sonic-Franchise einiges passiert, sondern Sega hat 2024 kurzerhand zum "Year of Shadow" ernannt, in dem neben Lego-Sets, Merchandise und speziellen Messe-Auftritten auch ein neues Spiel und natürlich der dritte Sonic Kinofilm inkl. Keanu Reeves-Shadow erscheinen sollen. Sonic X Shadow Generations nimmt sich dabei nicht nur das 2011 veröffentlichte Sonic Generations zum Vorbild für den Shadow-Part, sondern beinhaltet obendrein direkt noch ein Remaster des Originals. Nachdem wir auf der gamescom schon die Gelegenheit hatten, eine Demo anzuspielen, musste ich mich zu Release natürlich direkt in die Vollversion stürzen.
Die Story bzw. Grundprämisse von Sonic Generations müssen wir an dieser Stelle nicht noch einmal im Detail durchkauen, falls ihr es damals nicht gespielt habt, sei nur so viel gesagt: Sonic durchlebt in einer Hub-Welt zu seinem 20-jährigen Jubiläum noch einmal selbst seine komplette Historie und zwar gleichzeitig als Classic Sonic & Modern Sonic in 2D- und 3D-Abschnitten. Und genau diese Idee hat Sonic Team auch für den Shadow-Part wieder aufgegriffen und lässt uns mit der ultimate Life Form durch insgesamt 15 Level laufen, die chronologisch die Geschichte des schwarzen Igels abhandeln. Mit dabei sind natürlich bekannte Gesichter wie Sonic, E-123 Omega, Rouge the Bat und Gerald Robotnik, aber auch Black Doom hat seinen Weg ins Spiel gefunden und spielt eine nicht unwesentliche Rolle für den Verlauf der Story. Welchen der beiden Parts ihr spielen wollt, könnt ihr jederzeit separat im Hauptmenü auswählen, was auch notwendig ist, da die beiden Spiele jeweils auf einer anderen Basis der hauseigenen Hedgehog-Engine laufen. Was uns auch direkt zu einem kleinen Problem führt.
Und da möchte ich gleich mal voraus schicken: was jetzt folgt ist Kritik auf allerhöchstem Niveau, geht sehr ins Detail, bezieht sich tatsächlich nur auf das Sonic Generations-Remaster und wird vermutlich kaum jemandem auffallen. Aber hey, ich bin Die Hard Sonic-Fan und irgendjemand muss es ja sagen: das Remaster von Sonic Generations ist seltsam. Nachdem ich auf der gamescom nur die Shadow-Parts getestet habe, ist es mir da noch nicht aufgefallen, aber schon während der ersten paar Levels habe ich diesmal gemerkt, dass hier irgendwas nicht stimmt. Und dieses Gefühl bin ich bis zum Ende nicht losgeworden, das ich nach etwas über Dreieinhalb Stunden relativ flott erreicht hatte. Eigentlich sollte aber neben ein paar in den Levels versteckten Chaos, alles wie beim alten sein. Nachdem ich ein paar Clips gesehen hatte, dass andere Leute auch Probleme mit der Levelphysik haben, war zumindest mein Gefühl weg, dass ich mir das einbilde und nach dem direkten Vergleich mit dem Xbox 360-Original war mir klar, dass hier was nicht stimmt. Ich habe mich also in ein ca. zweistündiges Rabbit Hole gestürzt und konnte ein paar Details herausfinden, die der Grund sein könnten, warum das Remaster an manchen Stellen ein paar seltsame Bugs und Physik-Glitches hat.
Aus den In-Game Credits wurde ich schon mal nicht schlau, das waren in dem Fall einfach die Original-Credits von Generations. Aber zum Glück kann man im Spiel-Menü die Sonic X Shadow Generations-Credits separat auswählen. Dort findet man heraus, dass am Remaster gerade mal 4 Entwickler beteiligt waren, von denen man einen gar nicht online findet und die 3 anderen zwar schon länger bei Sega beschäftigt sind, aber nicht am Original beteiligt waren und generell nicht allzu viel Erfahrung mit Sonic-Spielen oder der Hedgehog Engine vorzuweisen haben. Das Playtesting des Spiels hat die Firma VGMarket übernommen, welche zwar schon für etliche Firmen und Spiele Playtesting gemacht hat, die Arbeitsbedingungen aber nicht unbedingt die besten zu sein scheinen. Man könnte also davon ausgehen, dass die Probleme im Remaster entweder übersehen wurden, weil man sich auf den Shadow-Teil fokussiert hat, oder man hat sie einfach ignoriert. Besonders schade ist das, da Sega das Original als Einzelprodukt aus den digitalen Stores von Xbox und Steam delisted hat und man es nur noch in einem 50€-Bundle gemeinsam mit anderen Sonic-Titeln kaufen kann. Das Remaster ist auf keinen Fall unspielbar und sieht auch gut aus, aber bei so einer Edition, sollte eigentlich schon ein bisschen bessere Arbeit gemacht werden. Wer Bock hat sich das alles mit Screenshots und mehr im Detail anzusehen, kann das in meinem Bluesky-Thread dazu machen.
Aber haken wir das einfach ab und kommen zu viel schöneren Dingen: dem Shadow-Part in Sonic X Shadow Generations. Wie bereits erwähnt findet auch dieser in einer Hub-Welt statt, von der aus ihr die einzelnen Levels auswählt, die jeweils aus einem 2D- und einem 3D-Abschnitt bestehen. Anders als im Original ist diese Hub-Welt allerdings komplett dreidimensional und offen gestaltet und ihr könnt euch dort mit Shadow komplett frei bewegen und allerhand Extras und Collectibles freischalten, wie Musikstücke oder Concept Art aus über 23 Jahren Shadow the Hedgehog-Geschichte. Hier sind wirklich ein paar richtig schöne Raritäten dabei, die selbst für mich neu waren und die Hub-Welt, die im Grunde eine kleinere Version einer Sonic Frontiers-Open Zone darstellt, hat mir richtig gut gefallen. Sega hat es geschafft ihr eigenes Bowser's Fury zu veröffentlichen, durch dessen Hub-Welt man sich gerne bewegt, um Geheimnisse zu entdecken, statt einfach eine weiße 2D-Welt zu verwenden wie in Sonic Generations. An der Stelle kann man also schon mal gar nicht meckern.
Die Hub-Welt kann aber so gut sein, wie sie will, wenn die Levels dann nicht abliefern. Aber was soll ich sagen: Shadow Generations hat in meinen Augen mit die besten Levels in einem 3D-Sonic seit vielen Jahren und Sonic muss sich wirklich ranhalten, um in Zukunft seinem Rivalen hier das Wasser reichen zu können. Der Aufbau der Abschnitte ist unfassbar intuitiv und macht beim Spielen vor allem so viel Spaß, da Sega es geschafft hat, die Levels so zu bauen, dass sie komplex genug sind, dass man immer mehrere Wege hat, sie zu beenden, man aber trotzdem nie aus dem Flow kommt und unnötig Geschwindigkeit verliert. Schon jeweils bei den ersten Versuchen bin ich in einer Geschwindigkeit durch die Levels gebraust, die ich sonst teilweise erst bei einem erneuten Replay erreiche und wusste trotzdem, dass es in den Levels noch viele weitere Wege gibt, noch schneller ans Ziel zu kommen oder mehr Collectibles zu finden. Ich hoffe inständig, dass Sega genau diese Qualität an Leveldesign beibehält, denn als Sonic-Fan war es für mich pure Freude, durch das Spiel zu laufen.
Shadow kann aber nicht nur Laufen und Hüpfen und seine Signature Chaos Control einsetzen, die kurzfristig die Zeit im Level anhält bzw. verlangsamt. Ihr könnt auch noch weitere Fähigkeiten freischalten, die ihr ab diesem Punkt dann nicht nur im Hub, sondern auch in den Levels selbst nutzen könnt und teilweise auch müsst. So könnt ihr neben Schattenspeeren, die als Projektile abgefeuert werden, unter anderem auch über Wasser und mit Flügeln besonders schnell durch die Levels gleiten. Und das sind bei weitem noch nicht alle Moves, die ihr freischaltet. Eure Fähigkeiten nutzt ihr dabei sowohl zum Lösen von kleineren Rätseln, als auch im Kampf gegen Gegner. Das Kämpfen in den Levels verlangsamt zum Glück nicht das Gameplay und auch die Bosskämpfe haben mir mehr Spaß gemacht, als in anderen Sonic-Titeln. Der Schwierigkeitsgrad war für mich insgesamt aber nicht besonders hoch, nur beim allerletzten Boss habe ich in einer Phase etwas länger gebraucht, um mich zurecht zu finden. Die Bossfights sind dabei großteils auch aus älteren Spielen übernommen, wie etwa der Biolizard, wurden für Shadow Generations aber neu designed und mit neuen Ideen verfeinert.
Freigeschaltet werden die neuen Moves in der Hub-Welt. Habt ihr zwei Levels, bestehend aus Akt 1 und Akt 2, abgeschlossen, öffnen sich Challenge-Türen, in denen ihr bestimmte Aufgaben erledigen müsst, um einen Schlüssel zu erhalten. Die Challenge-Levels sind wie schon in Sonic Generations kurze Versionen der bereits gespielten Akte mit besonderen Aufgabenstellungen und am Ende erhaltet ihr ein Ranking, je nachdem wie schnell ihr die Herausforderung beendet habt. Die eingesammelten Schlüssel brechen dann ein Siegel auf, das eure neue Fähigkeit beinhaltet, welche ihr dann meist direkt in einem Bosskampf auf die Probe stellen dürft. Das alles reiht sich perfekt in den Flow der rasanten Action-Levels ein und es macht einfach wirklich viel Spaß durch das Spiel zu rushen. Nicht, weil man unbedingt fertig werden will, sondern weil Shadow Generations genau diese Kernkompetenz des Franchises verinnerlicht hat und in jedem Aspekt des Gameplays widerspiegelt.
Aufgrund der reduzierten Größe der Hub-Welt, im Vergleich zu den Open Zones in Sonic Frontiers, wirken diese auch optisch etwas schöner und nicht ganz so karg. Und auch sonst sieht Sonic X Shadow Generations wirklich gut aus. Seien es nun die Cutscenes, die in Sonic-Spielen sowieso gewohnt schön präsentiert werden, aber auch das Gameplay selbst. Sega hat nicht nur im Hinblick auf 23 Jahre Shadow die Level-Auswahl gut gemischt und repräsentativ getroffen, die einzelnen Abschnitte sehen auch einfach richtig gut aus. Egal ob Space Colony Ark aus Sonic Adventure 2, Sunset Heights aus Sonic '06 oder Rail Canyon aus Sonic Heroes - man erkennt in jedem Abschnitt das Motiv des Levels und Spiels direkt und alles wurde richtig schön ins Jahr 2024 gebracht. Gleichzeitig werden manche Levels fast schon Dr. Strange-artig verzerrt und die Kulissen wirken dadurch teilweise noch viel beeindruckender. Sobald im Dezember der dritte Sonic-Film in den Kinos anläuft erwartet uns außerdem noch ein neuer Abschnitt aus dem Film, inklusive Voice Lines von Keanu Reeves und all das ist Sonic-typisch mit einem treibenden Soundtrack unterlegt, der aus einer Mischung an bekannten Songs, Remixen davon und auch neuen Stücken besteht.
"Shadow Generations hat mit Abstand die besten Abschnitte eines 3D Sonic-Titels seit vielen Jahren und es ist unglaublich mit was für einem Flow ich durch die Levels gerauscht bin, während ich einfach nur breit grinsend in mich hineinflüsterte, dass das hier Peak Sonic ist."
Seit Sonic Adventure 2 Battle, das ich auf meinem GameCube wirklich rauf und runter gespielt habe, ist Shadow einer meiner liebsten Charaktere im Franchise. Es wäre also untertrieben zu sagen, dass ich mich auf Shadow Generations nur gefreut habe, mein Hype war riesig. Dementsprechend hoch waren aber auch meine Erwartungen, die zum Glück aber nicht nur erfüllt, sondern sogar weit übertroffen wurden. Shadow Generations hat mit Abstand die besten Abschnitte eines 3D Sonic-Titels seit vielen Jahren und es ist unglaublich mit was für einem Flow ich durch die Levels gerauscht bin, während ich einfach nur breit grinsend in mich hineinflüsterte, dass das hier Peak Sonic ist. Wenn Sega es schafft diese Qualität aufrecht zu halten und dann auch Sonic in den nächsten Titeln auf diesem Niveau weitermacht, dann sehe ich für mich als Fan eine rosige Zukunft. Das etwas misslungene Remaster von Sonic Generations lassen wir mal so gut es geht außer Acht, entweder wird das noch gepatched oder man bleibt beim Original. Oder man spielt es kurz und verzeiht ihm die Fehler, bevor man sich voller Freude in den Shadow-Part des Doppelpacks stürzt, denn der ist einfach nur pure Platformer-Liebe und ich war wirklich lange nicht mehr SO glücklich mit einem Sonic-Spiel.
