Silent Hill 2 (2024)

   Von Miggi

Titelbild zum Remake von Silent Hill 2 von Bloober Team und Konami

In my restless dreams, I see that town. Silent Hill. Again. Ungefähr 6 Stunden und 40 Minuten habe ich in meinem Playthrough des Originals auf der PlayStation 2 verbracht. 16,5 Kilometer bin ich durch die Stadt gelaufen, habe 239 Objekte eingesammelt und 46 Gegner ausgeschaltet. Und nachdem der Abspann durch war, habe ich natürlich nicht lange gefackelt, bin direkt ein paar Konsolen-Generationen weiter in die Zukunft gesprungen und habe das Remake von Bloober Team auf der PlayStation 5 gestartet. Ich fühlte mich jetzt bereit ein für mich richtiges Urteil über das Spiel abzugeben, Verbesserungen wertschätzen zu können, aber auch eventuelle Änderungen, die dem Original eventuell nicht gerecht werden würden, richtig einordnen zu können. Immerhin handelt es sich bei Silent Hill 2 bei sehr vielen Spieler*innen bis heute um eines der wichtigsten Horror-Spiele aller Zeiten. Nachdem es aber schon mal den Anschein machte, dass das Remake bei der Allgemeinheit relativ gut ankommt, war ich schon einigermaßen vorfreudig, dass mich hier kein Reinfall erwarten würde. 

Die Story selbst folgt im Remake sehr genau der des Originals, Bloober Team hat hier keine gravierenden Änderungen vorgenommen. Teilweise ändern sich Standorte der Charaktere oder Key Items und es werden immer wieder kleine Lore-Häppchen in Form von Dokumenten in den Gebieten verteilt, die ihr optional einsammeln könnt, aber der Kern der Handlung hat sich (zum Glück) nicht geändert. Das geht so weit, dass teilweise Dialoge 1:1 übernommen und von den neuen Sprecher*innen auch genau so eingesprochen wurden. Und keine Sorge, falls ihr jetzt kurz zusammengezuckt seid und an die Synchro der HD Collection denken musstet - die Qualität der Synchro ist absolut fein und schafft es die Emotionen der Charaktere passend einzufangen. Vor allem die "neue" Maria und James' Interaktionen fand ich persönlich sehr gut, aber auch Eddie, Angela, Laura und natürlich James selbst geben eine gute Performance ab. In dem Punkt also schon mal Entwarnung - alles cool bei Story & Charakteren.

James steht vor seinem Auto und blickt in die Ferne in Silent Hill 2 von Bloober Team und Konami
Endlich mal wieder einen entspannten Roadtrip machen. Raus aufs Land. Die Seele baumeln lassen.

Das Gameplay selbst hat sich aber natürlich sehr stark verändert. Ihr steuert James nicht mehr mit der altbekannten Panzersteuerung durch die Spielwelt, sondern könnt euch frei und schnell in alle Richtungen bewegen, während ihr dem Protagonisten über die Schulter seht. Damit einher geht auch die vermutlich gravierendste Änderung und zwar die Kamera. Hier müsst ihr euch nicht mehr auf die vorgegebenen Perspektiven des Spiels verlassen, sondern könnt diese frei bewegen. Teilweise nimmt das den engen Gängen und Schockmomenten den Effekt, aber dazu kommen wir gleich, wenn wir über die Kämpfe bzw. Gegner sprechen. An sich habe ich mit der Steuerung und auch der Kamera nämlich kein Problem und das Spiel schafft es auch so immer noch eine bedrückende Atmosphäre aufzubauen, während man durch den Nebel, das Appartment oder das Krankenhaus läuft.

 

Wo sich das Gameplay aber nicht so richtig gut schlägt, Pun intended, sind die Kämpfe bzw. die regulären Gegner. Anfangs wirkt alles noch relativ vertraut, wenn man mit seinem Holzpflock auf Lying Figures einschlägt, irgendwann schleicht sich aber dann das Gefühl ein, dass es doch sehr viele Gegner sind, auf die man sehr häufig trifft und ab einem gewissen Punkt hatte ich keine Angst mehr vor ihnen. Was für mich das Worst Case Szenario für ein Spiel wie Silent Hill 2 ist. Vor allem, wenn später die Mannequins dazukommen und diese sich (sehr offensichtlich!) hinter jeder - und ich meine wirklich JEDER - Ecke verstecken, dort auf James warten, um "überraschend" hervorzuspringen, verlieren diese einfach ihren Effekt. Hier hat es Bloober Team komplett übertrieben und weniger wäre da definitiv mehr gewesen. Munition hat man im Remake sowieso nie wirklich viel, gib mir einfach noch ein paar Kugeln weniger und dafür auch weniger Gegner und das Spielerlebnis wäre um ein vielfaches besser geworden.

James trifft auf eine Bubble Head Nurse in Silent Hill 2 von Bloober Team und Konami
Entschuldigung, könnten Sie mir sagen, warum hier hinter jeder Ecke ein Mannequin steht?

Aber apropos wenig Munition. Das heißt nicht, dass ihr auch wenig untersuchen müsst oder keine Schubläden, Schranktüren und Garderoben öffnen müsst bzw. solltet. Auch hier bin ich irgendwann an einen Punkt gelangt, an dem mich das simple abklappern der Interaktionsmöglichkeiten einfach nur noch aus der Handlung rausgerissen hat. Alles war zu sehr Videospiel und zu wenig Horror-Erlebnis, vor allem wenn dann auch in der fünften Schublade wieder nichts zu finden war. Dann mach es doch lieber wie das Original und lass mich Türen und Co. gar nicht öffnen, bevor ich als gründlicher Sucher durchs ganze Hotel laufe und alles was geht öffne, nur um dann 3 Kugeln für die Pistole und vielleicht noch einen kleinen Health Drink zu bekommen. Da lobe ich mir die Schränke mit Glastüren, bei denen man direkt sieht, ob was drin ist und ob es sich lohnt die Scheibe zu zerschlagen.

 

Meiner Meinung nach aber sehr gelungen - und sogar besser als im Original - sind die Bosskämpfe. Diese haben mich in Silent Hill 2 früher nie wirklich gereizt, weil sie im Grunde alle nach dem selben Schema funktioniert haben: laufe von Ecke A in Ecke B, versuche währenddessen nicht getroffen zu werden und den Gegner mit der stärksten Waffe, die du aktuell hast, Schaden zu machen. Und im Kern sind die Kämpfe hier eigentlich auch nicht so viel anders, die Gegner haben aber mehr Varianz als noch im Original und die Kämpfe selbst verlangen mehr Eigeninitiative von den Spieler*innen, als sich immer nur in die Ecken zu stellen. Vor allem der Kampf gegen Flesh Lips im Krankenhaus, aber auch der Kampf im Labyrinth haben mir sehr viel mehr Spaß gemacht als noch auf der PlayStation 2 und waren mit meine Highlights im Remake.

James schlägt mit seinem Pflock eine Lying Figure in Silent Hill 2 von Bloober Team und Konami
Sticks and stones will break my bones, but Lying Figures will never harm me.

Vermutlich fragt ihr euch jetzt, wenn die regulären Kämpfe schon nicht so geil sind, dann sind es doch bestimmt die Rätsel, oder? Und die Antwort darauf ist etwas kompliziert. Die Rätsel an sich sind großteils auch wieder aus dem Original übernommen worden, wurden aber mal stärker, mal schwächer angepasst, umgedichtet oder erweitert. Da es im Spiel keine wirklich neuen Schauplätze gibt, ist das auch genau der Faktor, der die Spielzeit insgesamt in etwa verdoppelt. Ihr werdet im Remake viel öfter Pfaden folgen, um drei Items zu finden, die ihr dann benötigt, um das Rätsel zu lösen. Und ja, es sind wirklich immer genau drei Items. Hier hätte es finde ich nicht geschadet, wenn man mal etwas von der Formel abgewichen wäre, denn auch hier fühlt es sich teilweise zu sehr nach einer Checkliste an, als einem echten Rätsel und reißt einen aus der Spielwelt raus.

 

Was schade ist, denn die ist finde ich richtig gut umgesetzt. Seien es jetzt die Stadt selbst, das Krankenhaus, das Labyrinth oder was auch immer - die Orte im Spiel haben für mich genau die richtige Stimmung erzeugt und sich so angefühlt, wie es sein sollte. Als ich meine ersten Schritte in der Stadt gemacht habe, war ich noch komplett weggeblasen von der Atmosphäre und bin vorsichtig durch die Straßen gelaufen und selbst, während diese Fassade mit fortschreitender Spieldauer immer weiter bröckelte, haben mich die Schauplätze trotzdem abgeholt und es hat mir Spaß gemacht, diese genau zu erkunden. Einfach weil sie schön und originalgetreu umgesetzt worden sind. Aber in puncto Leveldesign muss man hier auch anmerken: wenn ich noch ein Mal bzw. auch hier drei Mal X drücken muss, um in eine Grube zu springen oder meinen Arm in ein Loch zu stecken, dann zerbricht glaube ich irgendwas in mir.

Pyramid Head in Silent Hill 2 von Bloober Team und Konami
Hm, normalerweise steckt unter so Pylonen doch Goro Majima, ich glaub ich bin hier falsch.

Neben der Optik der Schauplätze sind im Remake aber auch die verschiedenen Charaktere und wie ich finde vor allem die Gegnerdesigns verdammt gut umgesetzt bzw. eben auch teilweise noch erweitert worden. Im späteren Spielverlauf trefft ihr hier auch auf neue Gegnertypen und so sehr ich die hinter der Ecke-lauernden Mannequins irgendwann nervig fand, so cool fand ich diese neuen Gegner. Auch oder vielleicht vor allem weil sie so richtig schön eklig aussehen und das die letzten Lebewesen sind, die ich in einem dunklen, engen Gang treffen möchte. Dazu tragen natürlich auch die Soundeffekte einen großen Teil bei, die gemeinsam mit dem Soundtrack einfach abliefern. Plötzlich aufploppendes Flüstern, schweres Atmen im Krankenhaus, kratzendes Metall hinter der nächsten dunklen Ecke, die man nicht mit seiner Taschenlampe aufhellen kann. Das Spiel kann Stimmung und kann das sehr gut. Hätte man einfach ein paar Gänge kürzer und ein paar Gegner weniger platziert, wäre es mit der Soundkulisse die perfekte Horror-Erfahrung gewesen.

"Silent Hill 2 ist ein gutes Remake mit Flaws, die man vermutlich nicht so schwer ins Gewicht fallen lässt, wenn man das Original seit Anfang der 2000er nicht mehr gespielt hat, die man aber auch dann nicht ignorieren kann."

Wenn ihr bis hierhin gelesen habt, fragt ihr euch wahrscheinlich, ob ich überhaupt eine gute Zeit mit Silent Hill 2 hatte. Und ja, trotz aller Kritik, die sich das Remake an der Stelle gefallen lassen muss, hatte ich die. Aber ich hätte eine noch viel bessere Zeit haben können, wenn an ein paar Ecken noch ein bisschen besser geschraubt worden wäre. Die Kämpfe steuern sich gut, sie werden nur irgendwann einfach zu trivial und häufig, mit Ausnahme der Bosskämpfe, die ein Highlight für mich waren. Die verschiedenen Abschnitte sind nah am Original, verlaufen sich teilweise aber einfach in ihrer Videospiel-igkeit, in der man 3 Mal den X-Knopf drücken muss, um in ein Loch zu greifen. Die Charaktere sind wahnsinnig gut umgesetzt, während mich die Story selbst durch die gestreckte Spieldauer am Ende nicht ganz so emotional getroffen hat. Silent Hill 2 ist ein gutes Remake mit Flaws, die man vermutlich nicht so schwer ins Gewicht fallen lässt, wenn man das Original seit Anfang der 2000er nicht mehr gespielt hat, die man aber auch dann nicht ignorieren kann. Es ist ein solides Spiel, mit dem ich eine gute Zeit hatte, das mich aber bei weitem nicht so vom Hocker gehauen hat, wie es das Original damals getan hat und das auch heute bei wiederholtem Durchspielen noch schafft. Für mich stehen in dem Fall beide Spiele für sich selbst und bieten komplett unterschiedliche Anreize, sie zu spielen. Und jetzt gebt mir bitte ein Remake von Silent Hill 3, Konami!

4 von 5 Pyramid Heads.
4 von 5 Pyramid Heads.