Von Miggi
Als Sifu während Sony's State of Play-Präsentation im Februar 2021 das erste Mal gezeigt wurde, war vermutlich nicht nur ich direkt hellhörig. Das Martial Arts-Spiel mit seinem ganz eigenen Look, rund um einen Protagonisten, der während des Spielverlaufs immer weiter altert, hat mich direkt neugierig gemacht. Dass das Spiel von Sloclap entwickelt wird, die sich mit Absolver schon beweisen konnten, hat das dann nur noch mehr befeuert. Nach einem kleinen Delay ist das Spiel knapp ein Jahr nach dem ersten Trailer nun erschienen und sagen wir es mal so: Spieler*innen da draußen haben nicht unbedingt eine leichte Zeit damit. Und da kann auch ich mich einreihen. Oh und wie ich mich da einreihen kann.
Aber kommen wir doch erst mal zur Geschichte. Im Action Beat 'em up, das für PlayStation und den PC erhältlich ist, sehen wir im Prolog wie Yang, ein verstoßener Schüler einer Martial Arts-Schule im modernen China, einen Angriff auf ebendiese leitet. Gemeinsam mit vier weiteren Kämpfer*innen dringt er immer weiter in die Schule vor, tötet dabei alle auf seinem Weg und steht am Ende dem "Sifu" oder auch "Shifu" (Chinesisch 師傅 / 师傅, auch 師父 / 师父), also dem Meister der Schule gegenüber. Yang tötet den Sifu und findet daraufhin noch dessen Kind, das sich während des Angriffs versteckt hat. Er befiehlt seinen Gefolgsleuten dem Kind die Kehle durchzuschneiden, dieses wacht jedoch später komplett geheilt auf, da ihm ein Talisman das Leben gerettet hat. Der Nachteil: bei jedem Tod altert man. Wiederbelebt und gealtert macht sich das Kind, das je nach eurer Wahl Junge oder Mädchen sein kann, auf, um den verstorbenen Vater zu rächen.
Acht Jahre später hat der oder die Protagonist*in in der nun leeren Schule in Isolation gelebt, trainiert und ein Lager aufgeschlagen, welches euch als Hub für das Spiel dient. Hier habt ihr die Möglichkeit eure Kampf-Moves zu trainieren, könnt in die verschiedenen Level springen und auf einem Whiteboard die Hinweise zu den fünf Personen finden, die euren Vater getötet haben. Diese sind jeweils die Bosse eines Levels und ihr bekämpft sie nacheinander. Dabei sind die einzelnen Levels immer grob an das Thema des Bosses abgestimmt. Das erste davon startet etwa in einem Hinterhof und führt euch durch diverse Wohnhäuser in Drogenlabore, in denen Handlager*innen Pflanzen bearbeiten, um am Ende gegen den "Botaniker" Fajar anzutreten. In den Levels findet ihr Gegenstände für euer Whiteboard und könnt teilweise levelübergreifend Gegenstände finden, die euch den Weg zum Boss durch Shortcuts erleichtern.
Der größte Fokus von Sifu liegt aber natürlich auf den Kämpfen. Ihr trefft immer wieder auf kleinere bis manchmal doch sehr große Gegner*innen-Gruppen, die sich euch in den Weg stellen und die es zu verkloppen gilt. Ihr habt die Möglichkeit verschiedene Schlag- und Tritt-Kombos einzusetzen und könnt euer Angriffs-Repertoire mit der Zeit auch erweitern. Außerdem könnt ihr immer wieder verschiedene Waffen aufnehmen, die aber nach einer bestimmten Zeit kaputt gehen. Außerdem könnt ihr Schläge abblocken und diesen mit dem richtigen Timing sogar komplett ausweichen oder sogar parieren, was euer Gegenüber kurz offen für Angriffe macht. Und all das werdet ihr spätestens im zweiten Level perfekt beherrschen müssen. Neben eurer Gesundheit habt ihr nämlich auch noch eine Ausdauer-Anzeige, die sich durch geblockte Angriffe füllt. Ist diese voll, seid ihr erneuten Angriffen kurz schutzlos ausgeliefert. Wer Sekiro gespielt hat, weiß bestens was ich meine.
Sterbt ihr auf eurem Weg, altert ihr im Spiel erst um ein Jahr. Danach füllt sich eine Totenkopf-Anzeige und der nächste Tod lässt euch dann schon um zwei Jahre altern. Die Totenkopf-Anzeige könnt ihr allerdings auch wieder verringern, indem ihr z.B. Mini-Bosse innerhalb des Levels besiegt. Das Alter, das ihr im Level nach dem Boss-Fight dann habt, wird dann in den nächsten Abschnitt mitgenommen. Ihr werdet also die verschiedenen Gebiete auf jeden Fall öfter als einmal spielen (müssen), um mit einem möglichst niedrigen Alter weiterspielen zu können. Jede Zehner-Marke - also 30, 40, 50 usw. - verringert dabei in Sifu nicht nur euer Aussehen, sondern auch eure Gesundheit und die Stärke. Kurz gesagt: je älter ihr werdet, desto mehr Schaden machen zwar eure Attacken, ihr habt aber dadurch allerdings auch weniger maximale Gesundheit.
In den Levels verteilt findet ihr immer wieder Drachenschreine an denen ihr Erfahrungspunkte ausgeben könnt, um euch aufzuleveln. Manche der Upgrades verschwinden, sobald ihr komplett sterbt, andere bleiben euch auch dann erhalten. Dafür müsst ihr allerdings in diese Skills dann öfter eure Punkte investieren. Ein Game Over in Sifu ereilt euch, wenn ihr über 70 Jahre alt werdet und danach noch einmal sterbt. Die verschiedenen Skills reichen dabei von Fokus-Angriffen, die ihr ausführen könnt, wenn sich eure Spezial-Leiste dementsprechend gefüllt hat, andere geben euch normale Kombo-Möglichkeiten oder andere Vorteile, wie etwa einen Move, mit dem ihr Gegenstände in der Welt per Knopfdruck direkt auf eure Gegner*innen werfen könnt.
Wenn man über Sifu redet, darf man aber auf keinen Fall den Schwierigkeitsgrad außen vor lassen. Dieser ist nämlich echt sehr SEHR hoch. Zum Zeitpunkt dieser Review gab es nicht die Möglichkeit das Spiel einfacher zu stellen, das soll aber in einem Patch noch nachgereicht werden. Und ich bin ganz ehrlich - Sifu war für mich teilweise schwerer und härter zu meistern, als Titel wie Dark Souls oder andere Härteproben. Man braucht wirklich eine Weile bis man das Kampf-System vollumfassend verinnerlicht hat und Angriffsmuster verstehen zu lernen ist hier gefühlt wichtiger, als in jedem anderen Spiel, das ich bisher gespielt habe. Das macht jedes absolvierte Level umso befriedigender, ich kann aber alle da draußen verstehen, die das Spiel dadurch zur Seite legen, bis der Easy Mode ins Spiel integriert wurde. Spielen solltet ihr das Spiel nämlich auch auf einfach, denn das Charakter- und Leveldesign ist wahnsinnig gut und mit seinem optisch mit Arcane vergleichbarem Stil ist das Spiel auch einfach eine Augenweide.
"Sifu ist bestimmt kein Spiel für alle, aber wer offen für diese Art von Spiel ist, wird vermutlich lange nach einem ebenbürtigen Vertreter im Genre der Beat 'em Ups suchen."
Selten hat ein Videospiel Martial Arts so exzellent in Szene gesetzt, wie es Sifu tut. Die Kämpfe sind unfassbar gut choreographiert und in Szene gesetzt und der gemalt-angehauchte Grafikstil tut sein Übriges zur Inszenierung. Hat man erst mal den Dreh raus und wir selbst zum Sifu, fühlt man sich teilweise einfach nur mächtig, nur um kurz darauf im nächsten Abschnitt direkt wieder aufs Maul zu bekommen. Die Lernkurve ist wirklich steil, hat man den Berg aber erst einmal erklommen, macht es umso mehr Spaß sich immer weiter auf die Kämpfe einzulassen. Sifu ist bestimmt kein Spiel für alle, aber wer offen für diese Art von Spiel ist, wird vermutlich lange nach einem ebenbürtigen Vertreter im Genre der Beat 'em Ups suchen. Ich kann das Spiel also auf jeden Fall empfehlen, allerdings nur an jene mit einer Schmerzgrenze, die nicht Controller durch den Raum fliegen lässt. Oder ihr polstert eure Wände gut, dann solltet ihr auch gut klar kommen.