Game Over!

   Von Miggi

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Im Jahr 2018 gab es in den USA bereits 17 Schießereien an Schulen (Stand 03.04.2018), in denen jemand verletzt oder getötet wurde - durchschnittlich ergibt das mehr als einen Vorfall pro Woche. Was danach folgte war zum einen der verrückte Vorschlag der Regierung alle Lehrenden zu bewaffnen. Diese Idee durfte sich nur kurze Zeit später als Fehler herausstellen, als sich ein 53-jähriger bewaffneter Lehrer im Bundesstaat Georgia im Klassenzimmer verbarrikadierte und sogar einen Schuss abfeuerte. Wenn es darum geht, den oder die SchuldigeN für die vermehrte Waffengewalt unter SchülerInnen zu finden, landen viele Zeigefinger immer wieder auf einem ganz bestimmten Bösewicht: den Videospielen.

Vor allem Donald Trump hat sich, wie schon einige seiner Vorgänger und Kollegen, auf das noch junge Medium eingeschossen. Anfang März hat er sich im Zuge dessen mit VertreterInnen der Videospielbranche wie Zuständige der ESA und ESRB oder Publisher Take-Two und KritikerInnen zu einer Diskussionsrunde getroffen, denen er ein äußerst bedenkliches Video (Hier zu finden) vorspielte. In dem Video sieht man eine aus dem Zusammenhang gerissene Aneinanderreihung diverser gewalttätiger Szenen aus verschiedenen Spielen, darunter Call of Duty, Wolfenstein, Fallout 4 und Sniper Elite 4. Die üblichen Verdächtigen also. Nach dem Video stellte Trump den Anwesenden die Frage „This is violent, isn’t it?“.

 

Was bleibt ist ein weiterer unqualifizierter Beitrag über ein Medium, das viel mehr bietet, als stumpfe Gewalt. Selbst hinter Szenen, wie der berüchtigten „No Russian“-Mission in Call of Duty: Modern Warfare 2, steckt weit mehr, als man auf den ersten Blick erkennen mag. Der Aufschrei im Erscheinungsjahrs 2009 war groß und die Mission musste in einigen Ländern zensiert werden. Zu heikel war es den Ländern, dem Spieler die Wahl zu überlassen, ob er sich als Geheimagent an der Tötung von ZivilistInnen durch russische Terroristen (die man natürlich unterwandert) beteiligt. In Russland wurde die Mission gänzlich gestrichen, in Deutschland und Japan bricht das Spiel ab, wenn man eineN der ZivilistInnen erschießt. Egal ob man sich an den Taten beteiligt, wird man am Ende der Mission vom Anführer der Russen erschossen. Das Ganze ist hierbei nicht stumpfe Gewalt der Gewalt willens, sondern dient klar dem Fortschritt der Geschichte. Sie soll der spielenden Person ein mulmiges Gefühl im Magen hinterlassen. Sie soll die Frage aufwerfen, ob Gewalt mit Gegen-Gewalt aufgehoben werden kann. Aber auf keinen Fall soll die Mission die Freude am Töten Unschuldiger zeigen.

Warum wird sich aber vor allem auf Videospiele seit Jahren als maßgeblicher Grund für Amokläufe und weitere Gewaltexzesse eingeschossen? Meine Theorie ist, dass Videospiele nicht ernst genug genommen werden. Im ersten Moment mag sich das widersprechen, weitergedacht aber absolut nicht. Filme/Serien/Fernsehen und Musik sind schon lange in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Es gibt viele verschiedene Genres und jedeR konsumiert sie in irgendeiner Art und Weise und neben Ausnahmen wie Marilyn Manson oder bestimmten Gangster-Rap-Künstlern wird selten eines dieser Medien als Auslöser für Gewalt verdächtigt. Videospiele werden als jüngeres Medium, das sich noch in ständiger Entwicklung befindet, von vielen Personen noch stiefmütterlich behandelt. Und das obwohl die Industrie mit all ihren Publishern, Studios, EntwicklerInnen-Teams – die Liste lässt sich beliebig lange fortführen – sowohl im Bereich der Investitionen, als auch im Bereich der Erträge an Hollywood heranreicht.

 

Trotzdem werden Videospiele nicht als Kunst anerkannt. Das hat zur Folge, dass Spiele wie Wolfenstein II: The New Colossus, in dem die Nazis nicht den zweiten Weltkrieg verloren und die USA unterworfen haben, in Österreich und Deutschland maßgeblich von den EntwicklerInnen zensiert werden. Die Nazis werden zum namenlosen „Regime“, das Hakenkreuz wird zum absurden Symbol ebendessen und Adolf Hitler wird umbenannt in „Herr Heiler“, von seiner Gefolgschaft angesprochen als „mein Kanzler“. Selbst das Oberlippenbärtchen musste weichen, damit USK und andere Instanzen keinen Grund finden können, das Spiel vom Markt nehmen zu lassen. Immerhin verbirgt sich hinter dem Spiel eine aufwändige Produktionszeit, ein großes Team, eine riesige Marketingkampagne, Produktionskosten und vieles mehr, was man nicht durch eine Indizierung in großen Teilen Europas verlieren möchte. In Filmen darf das Hakenkreuz bekanntlich unverfälscht gezeigt werden. Einziger Unterschied: Die Regierungen bestimmter Länder haben anerkannt, dass Filme Kunst sind.

 

Videospiele hingegen bewegen sich in irgendeiner anderen Sphäre. Es wird wohl also noch ein paar Generationen an PolitikerInnen brauchen, bis auch Videospiele als das angesehen werden was sie sind: Kunst, die interaktiv Geschichten erzählt. Von springenden Klempnern, kleinen Taschenmonstern, oder blauen Igeln, aber eben auch die der SoldatInnen oder GeheimagentInnen. Ganz wie in Filmen und Serien. Die SpielerInnen vor schwere Aufgaben stellt, sie Nachdenken lässt und mitunter auch zu Tränen rühren kann. Und das intensiver, als es andere Medien je könnten.