Von Miggi
Wie viele von euch da draußen vermutlich auch, hatte ich zwar selbst nie einen Neo Geo zuhause und das wird sich, sollte ich nicht in irgendeinem Hard Off in Japan zufällig einen günstigen finden, auch in Zukunft nicht mehr ändern. Was mir aber trotzdem schon früh in meiner Videospielvergangenheit nicht entgangen ist, ist Metal Slug, das ich schon damals mit meinem besten Freund im Coop rauf und runter gespielt habe. Bis heute kommt kein Run and Gun für mich an das SNK-Franchise heran, das durch seine liebevoll animierten Charaktere, die abwechslungsreichen Levels und die diversen Spezialwaffen und Gefährte einen ganz besonderen Status bei mir hat. Über die Jahre habe ich immer wieder diverse Ports auf neueren Plattformen gespielt und die Spiele haben nie ihren Charme verloren. Natürlich war ich dann direkt Feuer und Flamme, als Dotemu 2021 ankündigte, dass ein Tactics-Spiel erscheinen wird, das im Metal Slug-Universum angesiedelt ist.
Die Story ist und das ist jetzt nicht unbedingt eine große Überraschung, relativ simpel gehalten. Ihr solltet im Spiel selbst absolut keine großen Probleme haben, wenn ihr euch nur auf das Gameplay konzentrieren wollt und die Story-Dialoge einfach skipped. Der Anführer der quasi-Nazis - die im Metal Slug-Universum Rebellen genannt werden, aber wir alle wissen, dass sie die Nazis sind - und Serien-Antagonist General Donald Morden ist wieder einmal zurück. Nachdem er sich ein paar Jahre in einem abgeschiedenen Land versteckt gehalten und dort eine Armee zusammengestellt hat, liegt es nun wieder einmal am Peregrine Falcon Squad ihm das Handwerk zu legen, das Land zu befreien und die Welt zu retten. Soweit, so Metal Slug. Und es gibt einfach Spiele, da beschwere ich mich absolut nicht über eine einfache Story, die mittels MacGuffin einen Hintergrund fürs Geschehen gibt, den man aber auch nicht weiter ausführen muss. Das Spiel will, dass ich den Ober-Nazi besiege und ganz ehrlich, das reicht mir als Antrieb dann auch schon.
Ander als bisher kämpft ihr in Metal Slug Tactics, wie man am Namen schon erahnen kann, nicht in Run and Gun-Manier, sondern indem ihr euren Figuren in rundenbasierten Kämpfen auf einem Spielfeld, das in Kacheln unterteilt ist, Befehle gebt. Jede Figur hat dabei eine bestimmte Anzahl an Schritten, die sie gehen kann und eine von zwei Attacken mit unterschiedlicher Reichweite. Auf dem jeweiligen Feld selbst gibt es unterschiedliche Ebenen und auch Deckungen, hinter denen ihr und auch eure Gegner in Deckung gehen können, um den Schaden von eingehenden Angriffen zu verringern. In jedem Zug lasst ihr euer Dreier-Squad durch das Level laufen und müsst dort verschiedene Aufträge erfüllen, von denen es auf 110 handgefertigten Maps insgesamt 20 verschiedene gibt. Entweder müsst ihr alle Gegner besiegen, eine bestimmte Anzahl von Zügen überleben, einen NPC eskortieren oder auch einen gegnerischen Konvoi ausschalten. Metal Slug Tactics hat zudem einige Roguelike-Elemente, so dass ihr öfter als ein Mal durch die 4 verschiedenen Gebiete im Spiel ziehen werdet, da das Spiel sowohl nach einem geschafften, aber auch nach einem verlorenen Run wieder von vorne startet.
In jedem Gebiet könnt ihr dabei die Levels und damit die missionsspezifischen Aufgaben aus einer vorgegebenen Auswahl selbst bestimmen und bekommt für jedes Level nicht nur XP für eure Charaktere, sondern auch andere Boni. Diese sind teilweise auch an Zusatzbedingungen geknüpft, wenn ihr also fleißig seid, erhaltet ihr noch mehr Ausrüstung und Perks, die euch im weiteren Spielverlauf helfen werden. Das klingt vermutlich jetzt komplizierter als es ist, also lasst mich euch einfach mal ein Beispiel geben: schafft ihr es z.B. in einem Level an 4 Kills mit Fio beteiligt zu sein, erhaltet ihr am Ende zusätzliche Munition für eure Spezialwaffen. Nachdem ihr in einem Gebiet 3 Missionen absolviert habt, wartet jeweils ein Bosskampf auf euch. Sobald ihr 2 von 4 Regionen befreit habt, könnt ihr theoretisch direkt ins finale Gebiet, in dem Morden auf euch wartet. Hierbei müsst ihr allerdings bedenken, dass die Gegner auch mit jedem abgeschlossenen Gebiet gefährlicher bzw. die Aufgaben schwerer werden. Wie in allen Aspekten des Gameplays ist Planung also das A und O.
Zu Beginn des Spiels stehen euch für euer Dreier-Squad die altbekannten Charaktere Marco Rossi, Fio Germi und Eri Kasamoto zur Verfügung, jeweils mit ihren eigenen Waffen und Spezialattacken. Während Marco als Allrounder etwa mit Pistole und Maschinengewehr ausgestattet ist, greift Eri mit Granaten und einem Granatwerfer an. Jede Waffe hat dabei eine bestimmte Reichweite bzw. Angriffsmuster, die ihr bei eurem Movement über die Map im Hinterkopf behalten solltet. Stellt ihr eure Figuren klug auf, könnt ihr außerdem bei Attacken Sync-Manöver aktivieren, in denen mehrere eurer Figuren gleichzeitig angreifen, ohne doppelt Moves zu verbrauchen. Eure Zweitwaffen, wie das Maschinengewehr, verbrauchen dabei Munition, die ihr nur mit Missionsbelohnungen oder in Shops wieder auffüllen könnt und eure Spezialattacken erfordern Adrenalin, das ihr sammelt indem ihr euch über die Map bewegt. Das taktische Gameplay ist dabei wesentlich tiefer, als ich es auf den ersten Blick erwartet hatte und ich glaube, dass noch immer viel mehr drin steckt, als ich selbst in meiner bisherigen Spielzeit aktiv gesehen habe.
Zum einen wären da die zusätzlichen Charaktere. Neben der Standard-Party, könnt ihr noch 6 weitere Figuren freischalten, indem ihr bestimmte Konditionen bei eurem Playthrough erfüllt. Jede Figur hat dabei wiederum ihre ganz eigene Waffenkombination und Special Moves. In eurer Basis, in die ihr vor jedem Run zurück kommt, schaltet ihr außerdem relativ schnell zwei Shops frei, in denen ihr jeweils neue Ausrüstung oder neue Perks und Special Moves kaufen könnt. Insgesamt gibt es im Spiel 36 verschiedene Waffen und 176 Mods. Das Geld dafür erhaltet ihr pro beendetem Run, das Spiel ist also absolut darauf ausgelegt mehrmals durchgespielt zu werden bzw. muss man soweit erst einmal kommen. Metal Slug Tactics ist nämlich vor allem in den höheren Schwierigkeitsgraden gar nicht so leicht und ich habe einige Anläufe gebraucht, bis ich General Morden das erste Mal besiegt habe. Hier habe ich aber instant das wunderschöne "Ach, ein Run geht noch!"-Gefühl gespürt, das ein gutes Roguelike für mich ausmacht. An der Stelle hat Tactics also für mich alles richtig gemacht.
Nicht ganz so tadellos ist hingegen in einigen Abschnitten die Performance. Vor allem der Boss im ersten Gebiet hat mir direkt starke Kopfschmerzen bereitet und das nicht, weil er so schwer war. Ich kann nicht zu 100% sagen woran es liegt, aber während ich meine Züge gegen das riesige Kampfschiff und die Gegnerhorden ausgeführt habe, wurden die Ladezeiten zwischen den Spielzügen immer länger. Während sich am Anfang die Charaktere am Screen noch in ihrer Idle-Animation bewegt haben, war es ab dem dritten oder vierten Zug teilweise so, dass das Bild komplett still stand und nur noch die Musik abgespielt wurde. Ich habe hier teilweise echt gezweifelt, ob das Spiel sich aufgehängt hat, nach über einer Minute Stillstand konnte ich dann aber wieder einen Zug machen, bevor wieder Warten angesagt war. Das war in keinem anderen Gebiet ganz so schlimm, ist aber trotzdem immer wieder passiert, mal mit kürzerem Stillstand, mal mit längerem, vor allem wenn viel am Screen los war. Das hat meine Runs teilweise echt mühsam gemacht und hätte ich das Spiel für die Review hier nicht mindestens ein Mal beenden wollen, hätte ich definitiv auf einen Patch gewartet, bis ich weitergespielt hätte. Eigentlich sollte die PlayStation 5 mit einem Spiel wie Metal Slug Tactics nicht solche großen Probleme haben und ich hoffe, dass es bald einen Patch gibt, der diese Probleme behebt.
Ein weiterer Punkt, den man erwähnen muss, sind die Menüs bzw. das User Interface. Diese sind am PC mit Maus und Tastatur vermutlich etwas einfacher bzw. intuitiver zu bedienen, an der Konsole bzw. generell mit einem Controller, muss man sich erstmal an die Tastenbelegung und die Abfolge der Inputs gewöhnen. Da ihr so viele Menüs und Möglichkeiten habt in eurem Zug zu agieren, müsst ihr hier immer aufpassen, welchen Button ihr drückt und vor allem was dieser dann bewirkt. Anfangs habe ich hier trotz umfangreichem Tutorial, das ihr auf keinen Fall skippen solltet, viel zu oft die falschen Inputs betätigt und erst ab Run 3 oder so einen guten Flow ins Gameplay bringen können. Wenn man den Dreh dann einmal raus hat, läuft das alles auch gut, schnell und ergibt Sinn, aber man muss sich definitiv erst einmal reinarbeiten, bevor man komplett Metal Slug Tactics-Meister*in wird.
Aber kommen wir zurück zu den schönen Aspekten des Spiels: der Präsentation. Wer schon einmal einen Teil der Metal Slug-Serie gespielt hat, weiß, dass das Pixelart seit dem ersten Teil schon komplett on Point war, die Charaktere durch Animationen wahnsinnig charmant rübergekommen sind und die verschiedenen Gebiete immer schon voll mit kleinen Details waren. Und das hat sich zum Glück auch im Tactics Spin-Off nicht geändert. Der Hauptteil des Gameplays wird in wunderschönem Pixellook präsentiert, während für die Dialoge gezeichnete Portraits der Charaktere angefertigt wurden. Man ist sich dabei den Wurzeln und Stärken der Serie komplett bewusst und Leikir Studio hat es geschafft dem Spiel einen eigenen Touch zu geben, ohne alte Fans dabei zu vergraulen. Unterlegt wird das ganze nicht nur durch die passenden Soundeffekte, sondern auch durch den Soundtrack von Tee Lopes, der unter anderem schon bei Sonic Mania, Streets of Rage 4 oder TMNT: Shredder's Revenge in die Tasten gehauen hat. Der Mann weiß also wie man Musik für Spiele dieser Art macht.
"Wenn man die Bugs außer Acht lässt ist Metal Slug Tactics die perfekte Kombination der bisherigen Stärken des Franchises im Gewand eines taktischen RPGs mit viel Spieltiefe und Wiederspielwert durch die Roguelike-Elemente."
Als Fan von Roguelikes und als Fan von Metal Slug war Tactics auf dem Papier wie für mich gemacht und auch mein Ersteindruck in der Demo war absolut positiv. Und nachdem ich mich durch die Tutorials gearbeitet habe und langsam in den Flow reingekommen bin, hatte ich auch eine richtig gute Zeit damit. Leider haben aber die technischen Probleme mir immer wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht und den Spielspaß gebremst, obwohl ich eigentlich gerne mehr Runs in kürzerer Zeit gespielt hätte. Nachdem ich dann aber General Morden besiegt hatte, habe ich das Spiel erst einmal zur Seite gelegt und mich entschieden zu warten bis hoffentlich ein Patch erscheint, der die Slowdowns und Ladezeiten fixed. Wenn man die Bugs außer Acht lässt ist Metal Slug Tactics die perfekte Kombination der bisherigen Stärken des Franchises im Gewand eines taktischen RPGs mit viel Spieltiefe und Wiederspielwert durch die Roguelike-Elemente. Ich werde also auf jeden Fall auch in Zukunft ein paar Runs machen und das Spiel auch auf anderen Plattformen testen, um zu sehen, ob die Probleme eventuell PS5-spezifisch waren. Da das Spiel ab Release im Game Pass ist, sollte das zum Glück auch kein Problem sein und wer selbst reinspielen möchte, kann das so auch easy tun.