Indiana Jones and the Great Circle

   Von Miggi

Titelbild zu Indiana Jones and the Great Circle von Machine Games, Bethesda und Xbox Game Studios

Natürlich denken die meisten Leute, wenn sie die Namen George Lucas, Harrison Ford und John Williams lesen, erst einmal an die Star Wars-Reihe. Da müssen wir uns glaube ich alle nichts vormachen. Wenn man aber einen Moment innehält und noch einmal kurz über die Namen liest, sollte vielen auch der Name Indiana Jones ins Gedächtnis gerufen werden. Denn bis heute haben die Filme rund um Dr. Jones einen Kult-Status, den nur wenige Franchises für sich claimen können. Vor allem, wenn man bedenkt, dass nach dem ersten Hype der Original-Trilogie fast 20 Jahre kein neuer Film erschien und vergleichsweise wenig mit der Marke gemacht wurde, vermutlich auch, weil sie so stark an Harrison Ford als Person geknüpft ist, der leider auch nicht jünger wird. Jetzt haben sich die Wolfenstein-Macher*innen von Machine Games gedacht "Hey, Nazis boxen ist nicht nur richtig spaßig sondern auch genau unser Fachgebiet. Gibt es denn außer B.J. Blazkowicz noch irgendjemanden, der das gerne und gut macht?". Zumindest stelle ich mir so die erste Brainstorming-Session zu Indiana Jones and the Great Circle vor. Und nein, wir werden hier nicht den deutschen Titel verwenden. Indiana Jones und der große Kreis klingt einfach nicht gut.

Und genau mit diesem Mindset hat das Schwedische Studio eine komplett eigene Story im Indiana Jones-Universum erschaffen, das zwischen dem ersten Film Raiders of the Lost Ark und dem zweiten Teil im Jahr 1937 spielt. Indiana Jones kehrt in dieser Story nach den Ereignissen des ersten Films als Lehrkraft zurück ans Marshall College, wo eines Nachts eine Katzenmumie von einem riesigen Mann gestohlen wird. Dr. Jones stellt den Dieb zwar, wird aber von ihm K.O. geschlagen und nur das Amulett des Mannes bleibt ihm als Anhaltspunkt übrig, warum dieser es auf die Mumie abgesehen hat. Er macht sich also auf den Weg in den Vatikan, um herauszufinden, was es mit dem nächtlichen Besucher auf sich hat, deckt dabei ein viel größeres Mysterium auf und reist dabei bis nach Ägypten, Thailand und das Himalaya-Gebirge. Eine ganz typische Indiana Jones-Story also und hands down - recht viel näher an die Original-Trilogie zu kommen, als dieses Spiel, wird sehr schwer.

Indiana Jones entwaffnet einen Faschisten mit seiner Peitsche in Indiana Jones and the Great Circle von Machine Games, Bethesda und Xbox Game Studios
Now watch me whip...

Die Story wird dabei immer wieder von 3rd Person Videosequenzen weitererzählt, in denen niemand anderes als Troy Baker Indiana Jones seine Stimme leiht und solltet ihr da jetzt erst mal die Nase rümpfen, kann ich euch komplett beruhigen: es klingt als wäre es einfach Harrison Ford in jungen Jahren, der hier spricht. Der Synchronsprecher hat es geschafft das charakteristische Nuscheln von Ford perfekt einzufangen und nicht nur das lässt einen teilweise das Gefühl verspüren hier einen tatsächlichen Indiana Jones-Film aus den 80er Jahren zu erleben. Die gesamte Aufmachung von den Schnitten und Übergängen, Kameraeinstellungen, Dialogen und auch der Musik sind wahnsinnig gut eingefangen und haben mich als Fan der Filme komplett in ihren Bann gezogen. Zu großen Teilen bleiben die Cutscenes aber dann auch die einzigen Sequenzen, in denen man Indiana Jones so richtig sieht.

 

Das Gameplay spielt sich nämlich zu sehr großen Teilen in der Ego-Perspektive ab und ihr seht hier nicht viel vom jungen Harrison Ford. Egal ob ihr ein paar Faschisten verprügelt, euch durch bewachte Gebiete schleicht, Artefakte unter die Lupe nehmt, Ruinen erforscht oder in den Boxring steigt: all das seht ihr direkt durch die Augen von Dr. Jones. Nur wenn ihr euch etwa an einer Wand entlang hangelt oder mit eurer Peitsche über einen Abgrund schwingt wechselt die Perspektive kurz, um euch ein bisschen mehr Überblick zu verschaffen und obwohl ich anfangs skeptisch war, was diesen abrupten Perspektiven-Wechsel anging, hat es sich im Spiel für mich völlig organisch und smooth angefühlt. Am Ende habe ich vor Release einfach Machine Games vertraut, dass sie hier schon die richtige Entscheidung basierend auf ihrer Erfahrung getroffen haben und ich wurde zum Glück nicht enttäuscht.

Ein Nazi hält Indiana Jones davon ab ein Foto von der Sphinx zu machen in Indiana Jones and the Great Circle von Machine Games, Bethesda und Xbox Game Studios
... now watch me NEIN! NEIN!

Die größte Stärke von Indiana Jones and the Great Circle ist in Kombination mit der First Person-Ansicht ganz klar das Erkunden von Ruinen, Höhlen, Grabstätten und Co., die ihr auf den verschiedenen Maps entdecken könnt. Dort warten nicht nur Sprung- und Kletterpassagen auf euch, sondern ihr müsst auch einige Rätsel lösen, um lebend wieder herauszukommen und im besten Fall noch irgendwas Interessantes entdeckt zu haben. Durch die Perspektive ist man hier so nah dran am Geschehen wie es kein Tomb Raider oder Uncharted je geschafft hat und fühlt sich, als wäre man wirklich gerade selbst ein*e Archäolog*in auf der Suche nach dem verborgenem Schatz. Die Rätsel sind dabei nie so richtig schwer, man muss aber schon teilweise ein bisschen überlegen, um ans Ziel zu kommen. Im Gepäck habt ihr außerdem auch immer eine Kamera, mit der ihr wichtige Objekte fotografieren und dafür Punkte sammeln könnt, um eurem Protagonisten neue Fähigkeiten kaufen zu können.

 

Diese braucht er vor allem in den Kampf-Situationen, die mir persönlich nicht ganz so viel Spaß gemacht haben, wie das restliche Gameplay. Ihr kämpft entweder mit euren Fäusten oder verschiedenen Schlag- und Schusswafen gegen die Gegner und müsst dabei stets eure Ausdauer-Leiste im Auge behalten. Boxt ihr ohne Rücksicht auf Verluste drauf los, geht Dr. Jones nicht nur schnell die Puste aus, er kann sich dadurch auch nicht mehr gegen feindliche Angriffe zur Wehr setzen und wird schneller überwältigt, als ihr gucken könnt. Generell sollte man Konfrontationen gegen mehrere Gegner gleichzeitig eher meiden und diese lieber schleichend nach und nach ausschalten. Mit Gegenständen, die ihr in der Spielwelt findet, könnt ihr Feinde schnell ausschalten und solltet dann darauf achten, dass niemand die Leiche findet. Das Schleichen hat mir persönlich da wesentlich besser gefallen als die direkten Kämpfe, ab und zu aber einfach mal ein Gewehr in die Hand zu nehmen und ein paar Nazis so auszuschalten, konnte ich mir aber trotzdem nicht entgehen lassen.

Indiana Jones blickt skeptisch in die Kamera in Indiana Jones and the Great Circle von Machine Games, Bethesda und Xbox Game Studios
Als wäre er direkt von der Leinwand ins Spiel gesprungen.

Sowohl am PC als auch auf der Konsole macht Dr. Jones dabei optisch eine verdammt gute Figur. Und das nicht nur, weil der junge Harrison Ford ein attraktiver Mann ist. Die Charaktermodelle & Schauplätze sind extrem detailliert, Städte und Dörfer fühlen sich lebendig an und in den Ruinen hat man das Gefühl, als würde man gerade wirklich eine lange Zeit unberührte Umgebung zum ersten Mal seit langer Zeit betreten. Selbst die Konsolenversion läuft mit aktivem Raytracing in stabilen 60 FPS und das sowohl auf der Series X als auch der Series S. Ich hatte keinerlei Abstürze oder andere nervige Probleme im Spiel und konnte mich so richtig schön von der Atmosphäre des Spiels einsaugen lassen. Dazu trägt neben der schon angesprochenen und sehr guten Synchro auch die schauspielerische Leistung aller Charaktere, inklusive des grandiosen Antagonisten Emmerich Voss, auch der starke Soundtrack einen nicht unwesentlichen Teil bei.

"Indiana Jones and the Great Circle fühlt sich an, wie ein lange Zeit verschollener Film, den man aus irgendeiner verstaubten Schublade im Archiv gezogen, auf Hochglanz poliert und in eine Videospiel-Form gegossen hat."

Wenn ich nach dem Beenden dieses Spiels auf eines Lust hatte, dann die Indiana Jones-Filme wieder einmal anzuschmeißen. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass die Atmosphäre der Filme - und vor allem der originalen Trilogie - von Machine Games so originalgetreu umgesetzt werden können und, dass es gleichzeitig so viel Spaß macht das dann auch noch selbst zu spielen. Der Nahkampf hat mir dabei zwar nicht ganz so viel Spaß gemacht, wie das Schleichen und vor allem das Erkunden und Lösen der Rätsel. Als Gesamtpaket bekommt man hier aber ein richtig gutes Spiel, das einem das Gefühl gibt selbst in die Haut von Indiana Jones zu schlüpfen und das dabei noch wahnsinnig gut aussieht und flüssig läuft. Indiana Jones and the Great Circle fühlt sich an, wie ein lange Zeit verschollener Film, den man aus irgendeiner verstaubten Schublade im Archiv gezogen, auf Hochglanz poliert und in eine Videospiel-Form gegossen hat. Die Schauplätze sind abwechslungsreich und voller Geheimnisse und ich habe auch nach den Credits noch einige Stunden ins Spiel investiert, um alle Schätze zu finden und kann das Spiel jedem Fan der Reihe nur wärmstens empfeheln. So gut war Indiana Jones schon lange nicht mehr.

Wertung zu Indiana Jones and the Great Circle von Machine Games, Bethesda und Xbox Game Studios
4,5 von 5 Peitschen.